Inhalt
Tragikomisches Ehedrama von Almodóvar, angesiedelt in einer Madrider Vorstadt Anfang der 1980er Jahre. Carmen Maura spielt die verzweifelte Ehefrau Gloria, die mit heroinsüchtigen Kindern, Prostitution und einem groben Ehemann konfrontiert ist.
Kritik
Der fünfte Spielfilm des exzentrischen Paradiesvogels Pedro Almodóvar (Leid und Herrlichkeit) weicht von Art, Inhalt und Stilistik keinesfalls ab von seinen bisherigen, durchaus kontroversen Arbeiten. Nach wie vor wirken sie wie aus einem Guss, allerdings stimmt diesmal irgendetwas nicht. Polarisierend waren sie bisher alle, tonal stets angriffslustig und provozierend, dabei aber immer herzlich und optimistisch nach vorne blickend. Vielleicht ist es das, was Womit habe ich das verdient? ein Stückweit abgeht, auch wenn das Ende versucht wieder diese Richtung einzuschlagen. Doch das ist es nicht ausschließlich, was dieses Werk aus der Vita seines Regisseur etwas verunglückt erscheinen lässt.
Im Mittelpunkt steht Gloria (zu dem Zeitpunkt bei Almodóvar praktisch unverzichtbar: Carmen Maura, Volver – Zurückkehren) aus der ärmlichen Proletarier-Schicht von Madrid. Den ganzen Tag schuftet sie bei schlecht bezahlten Putz-Jobs, nur um in ihrer engen und spartanischen Wohnung weiter auf Trab gehalten zu werden. Ihr Ehegatte Antonio bringt als Taxifahrer auch keine Reichtümer mit nach Hause und kommandiert seine Frau nach Feierabend nur herum, anstatt selbst mal einen Finger krumm zu machen. Ebenfalls in die heimischen vier Wände zwängt sich noch dessen „spezielle“ Mutter, die Mineralwasser für flüssiges Gold hält und ein großes Herz für streunende Eidechsen hat. Ganz zu schweigen von den beiden Söhnen: Toni, der sein Taschengeld mit dealen aufbessert und sein jüngerer, frühreifer, homosexueller Bruder Miguel, der statt mit seinen Klassenkameraden zu lernen lieber mit deren Vätern in die Betten steigt. Auch in der Nachbarschaft ist so einiges los, wie bei der dauerbeschäftigten, aber herzensguten Prostituierten Cristal oder der eher herzlosen, alleinerziehenden Mutter Juani, die ihrer Tochter jedwede Abneigung ungefiltert ins Gesicht klatscht. Ohne zu ahnen, was die so auf dem Kasten hat. Kein Wunder, das Gloria ohne ihre Appetitzügler nicht mehr klarkommt. Irgendwann muss die Lage zwangsläufig eskalieren…
Bei bisher allen seiner Arbeiten berichtete Pedro Almodóvar über soziale und gesellschaftliche Zu- bzw. Missstände, übte deutliche Kritik am aktuellen Befinden seines Heimatlandes, verpackte dies jedoch stets als schrille, leicht bis mittelschwer überzeichnete Grotesken, die ihre Message nicht zum Hauptthema machten. Der Spaß, die ungebremste Lebensfreude standen immer an erster Stelle und schienen wie ein Heilmittel gegen die Krankheiten, die sich aus sozialer Ungerechtigkeit oder der gesellschaftlich akzeptierten Unterdrückung von Randgruppen und Minderheiten über die Jahrzehnte gebildet hatte. Womit habe ich das verdient? tut dies nicht und fällt sicherlich auch deshalb trotz sonst sehr vergleichbarer Bauweise etwas aus dem Rahmen. Hier geben sich Sozialdrama und überspitze, schwarzhumorige Satire mehrfach fast übergangslos die Klinke in die Hand, was bei einer präzisen Umsetzung gar eine Steigerung der bisherigen Qualität bewirken könnte. Jedoch scheitert der Film eben an dieser Reifeprüfung, wirkt er durchgehend doch ziemlich unrhythmisch und lässt trotz sarkastischen Humors mit der gewohnten Schärfe jenseits von „guten Geschmacks“ diese harmonische Wärme vermissen, die bei Gags über an offensichtlich Pädophile „adoptierte“ Kinder, Drogensucht, Demütigungen und persönliche Schicksalsschläge doch zwingend von Nöten wäre. Und einiges ist einfach nur albern (Grüße an „Carrie“). Der Film hat nicht dieses freche Fingerspitzengefühl, verbrennt sich diese eher des Öfteren und kann mit seinem Humor längst nicht so zünden wie zuvor.
Fazit
Der Versuch von Pedro Almodóvar ist mal wieder mutig und trägt unverkennbar seine individuelle Handschrift. „Womit habe ich das verdient?“ könnte bei vielen seiner treuen Anhänger vermutlich auch auf große Gegenliebe stoßen, macht er doch vieles exakt so wie man es von ihm gewohnt ist, wofür er geliebt wie geschätzt wird. Es mag auch ein rein subjektives Problem sein. Aber das provoziert jemand wie Almodóvar eben auch mit seiner Art Filme zu machen: Da gibt es keine Garantie, kaum eine sichere Prognose. Da sich immer an der Grenze bewegt wird, die für jeden anders verläuft. Fans des Spaniers sollten es definitiv selbst ausprobieren und die Vorfreude auf weitere seiner Arbeiten dürfte auch Skeptikern dieses Films nicht genommen werden.
Autor: Jacko Kunze