Alle Must-Sees auf Netflix, Hulu, Amazon und der Leinwand abgegrast und ratlos, was als nächstes geguckt werden soll? Bevor die Feiertage zu Filmentzug führen oder irgendwer die alten Brettspiele rauskramt, liefert euch diese Liste eine Auswahl der kleine(re)n, aber feinen Produktionen, die zwischen Blockbuster-Flut und Serien-Sumpf allzu leicht untergehen. Von Dokus über Dramen bis hin zu Festival-Feinkost gibt es hier die Geheimtipps des letzten Jahres!
19: Will & Harper
Eher ein wenig aus dem Nichts kam dieser Road-Movie von Josh Greenbaum, der nicht nur einen neuen Blick auf Will Ferrell zeigt, sondern auch eine unglaubliche Reise rund um Freundschaft, Verständnis und Zukunft.
18: Das fantastische Leben des Ibelin
Die Dokumentation von Regisseur Benjamin Ree zeigt einen ungeschönten Blick auf eine Krankheit, einen Jungen und seine vermeintliche Einsamkeit - die aber nie eine war. So erleben wir hier einen Blick in World of Warcraft und die Möglichkeiten sich in digitalen Welten voll zu entfalten und sogar Liebe zu finden.
17: Exhuma
Es ist wahrhaftig ein langer Kampf, historisch, dramatisch und bei über zwei Stunden Laufzeit auch filmisch, den es in Jang Jae-hyuns fachmännischer Horror-Kost zu bewältigen gilt. Während die gemessen eingesetzten Spezialeffekte tadellos sind, lassen Kostüme und Maske gerade gemessen am Standard der Produktion zu Wünschen übrig. Auch die Kulissen sind mitunter deutlich als Studiosets zu erkennen. Das Ausmaß zu beschränken und dafür an Atmosphäre und Ausarbeitung der Figuren zu feilen, hätte der soliden Spuk-Show gutgetan.
16: Radical - Eine Klasse für sich
Trotz allzu vertrauter Muster überzeugt der Film durch seine Wirkkraft, die durch beeindruckende Authentizität und herausragende Darbietungen erreicht wird. Die Assoziation mit "Der Club der toten Dichter" mag vereinfacht und faul erscheinen, ist jedoch als großes Lob gemeint.
15: Late Night with the Devil
Ein teuflisch unterhaltsamer Mix aus Mediensatire, Found Footage-Horror und schwarzer Komödie, der der Frage nachgeht, was der Preis für Erfolg ist. Vom stark aufspielenden David Dastmalchian wird man künftig hoffentlich noch sehr viel mehr sehen.
14: Officer Black Belt
Der Film von Regisseur und Autor Joo-hwan Kim ist dieses Jahr wohl eines der Highlights aus Südkorea. Keineswegs perfekt, zeigt er aber einen interessanten neuen Blick auf das Action-Genre, inklusive einer gewissen Naivität und dem Wunsch nach Gerechtigkeit.
13: Die junge Frau und das Meer
Basierend auf der echten Trudy Ederle, schafft es der Film gekonnt nicht nur die Figur einzufangen, sondern auch eine wichtige Botschaft über Hoffnung und Kampf zu präsentieren. Zudem ist Daisy Ridley wirklich gut in ihrer Darbietung.
12: Die Knochenfrau
Zerschmetterte Knochen, gesichtslose Gespenstergestalten und verdrehte Körper werden in Michelle Garza Cerveras vielschichtiges Langfilmdebüt zu organischen Metaphern für die verheerenden Auswirkungen heterosexistischer Zwänge. Stück für Stück enthüllt die clevere Inszenierung nicht nur die verkappte Bigotterie hinter der Maske familiärer Warmherzigkeit, sondern die inhärente Misogynie christlicher Ikonographie. Getragen von einer exzellenten Hauptdarstellerin verflechten sich Psychothriller, Body-Horror und Volksmärchen zu einer eindringlichen Parabel über Selbstverleugnung, assimilative Sozialstrukturen und die Unterdrückung nonkonformer Identität als Essenz systematischen Konservativismus.
11: Des Teufels Bad
Nach ihrem packenden Hütten-Horror "The Lodge" tauchen Veronika Franz und Severin Fiala erneut in die archaischen Abgründe fanatischen Glaubenseifers. Dessen mit faszinierender Detailtreue auf die Leinwand gebanntes Abbild verstört umso mehr, da unter der mittelalterlichen Patina der von realen Gerichtsprotokollen inspirierten Handlung die Gegenwart immer greifbar bleibt. Der kriminalistische Prolog und allegorische Schlussakkord erweitern das schaurig-schöne Sittengemälde zu einem künstlerisch und kritisch scharfsinnigen Plädoyer gegen bis heute überdauernde christlichen Dogmen, deren Lebenszwang den Tod provoziert.
10: Boy Kills World
Große Orgie ohne Präservativ: „Archer“, „Running Man“, „The Raid“, „Wanted“ und „Die Tribute von Panem“ haben sich gegenseitig und ineinander ausgelassen. Das Ergebnis dieser Zusammenkunft ist der Live-Action-Cartoon "Boy Kills World". Ein bunter, wilder, brutaler wie charmanter und durchaus auch abwechslungsreicher Action-Trip quer durch die Möglichkeiten des Genres.
9: Concrete Utopia - Der letzte Aufstand
Trotz einiger handwerklicher Schwächen in Bezug auf Figurenauswahl, Erzählung und Länge, ist Concrete Utopia ein absolutes Fest innerhalb des Genres: Hier geht es wenig um spektakuläre Bilder oder den „Tanz“ der Zerstörung, sondern um Menschlichkeit, Moral und Entscheidungen. Und gerade dies führt immer wieder zu Momenten, die dem Zuschauer im Hals stecken bleiben werden. Gerade das Finale sorgt dann schließlich dafür, dass diese Utopie noch lange im Gedächtnis bleiben wird.
8: Kill
Schlachtplatte auf den Spuren von "The Raid": Mit "Kill" liefert Indien ein atemlos inszeniertes Actionfest mit hohem Härtegrad ab, das sich Genrefans definitiv nicht entgehen lassen sollten. Zwar mangelt es hier und da schon mal ein wenig an Abwechslung und an Glaubwürdigkeit, um noch höhere Sphären zu erklimmen, doch dürfte das die Zielgruppe letztendlich nur wenig stören. Spaß macht "Kill" allemal.
7: Weil der Mensch erbärmlich ist
Der Film von Regisseur Tim Mielants lief dieses Jahr ein wenig unter dem Radar, zeigt uns aber eine intensive Geschichte im besetzten Belgien, die Fragen nach dem Widerstand behandeln, gemischt zwischen Angst, Familie und Wut. Ein Film der ins Mark geht.
6: River - The Timeloop Hotel
In diesem außergewöhnlichen Werk zeigt sich erneut die künstlerische Genialität von Regisseur Junta Yamaguchi und der Theatergruppe Europe Kikaku. Es fasziniert nicht nur durch erfrischende Originalität und belebende Leichtigkeit, sondern auch durch die geschickte Verschmelzung von Ideenreichtum und Spielfreude zu einer innovativen Vision. "River - The Timeloop Hotel" balanciert gekonnt zwischen romantischer Komödie und faszinierendem Zeitreise-Mysterium.
5: Reality - Wahrheit hat ihren Preis
In lichter Kulisse, deren Offenheit in bedrückendem Kontrast zu den Haftbedingungen der Whistleblowerin Reality Winner steht, entfaltet Tina Satters differenziertes Kinodebüt eine erstickende Atmosphäre beständig wachsender Spannung. In schauspielerisch und dramaturgisch gleichermaßen ausgefeilten Szenen enthüllt sich die Perversion eines Staatsapparats, der Regelhörigkeit und Systemtreue über demokratische Verantwortung stellt. Unter dieser politischen Ebene eröffnet sich ein soziologischer Subtext über den Zustand permanenter Wachsamkeit, deeskalierendem Entgegenkommen und unterschwelliger Anspannung, geboren aus dem Zustand sozialkultureller und körperlicher Unterlegenheit.
4: Mars Express
„Mars Express“ muss man lieben. Eine wunderbar stimmige Genre-Mixtur, die ihrem Thema ein detailverliebtes Worldbuilding spendiert. Ein Film, der eine einzigartige Stimmung erschafft, in der stumme Emotionen zu heimlichen Protagonisten werden. Ein Werk, dessen Animationen und Kamerarbeit eine derartige Sogkraft entfalten, das ein einzigartig-faszinierendes Filmerlebnis ermöglicht wird.
3: Mad God
Mitreißende Reise in die dunkelsten Ecken des Verstands eines genialen Künstlers. Es ist jederzeit spürbar, was hier an Herzblut hineingeflossen ist und welch enormer Aufwand für dieses über Jahrzehnte verfolgte Projekt betrieben wurde. "Mad God" ist verstörend und ekelhaft, gleichzeitig aber auch vollkommen faszinierend und auf skurille Art schön. Ein makabres Meisterwerk, das das Zeug zum Kultfilm hat. Doch nicht jeder wird davon begeistert sein, dafür ist "Mad God" eben doch sehr sonderbar und durch seinen kryptisch gehaltenen Inhalt nicht besonders zugänglich. Aber einen Blick in diesen außergewöhnlichen Höllenschlund sollte man in jedem Fall geworfen haben.
2: All of Us Strangers
"All of Us Strangers" entführt in die Welt der Erinnerungen und Sehnsüchte. Ein gefühlvoller Film, der auf beeindruckende Weise die Verbindung von Vergangenheit und Gegenwart zeigt, ohne in Klischees zu verfallen. Ein eindringliches Werk, das die Melancholie des Lebens einfängt und zeigt, wie bewegend, sanft, wunderschön, berührend und herzerwärmend wie herzzerschmetternd das Kino sein kann. Ein Meisterstück.
1: The Substance
Gore und Gerontophobie treiben Coralie Fargeats perfiden Beauty-Horror, der mit unterkühltem Sex-Appeal zu pulsierenden Pop-Beats einen soziopathischen Schönheitskult seziert. Ähnlich der von Moore und Qualley gleichermaßen intensiv verkörperten Protagonistin schneidet sich die Regisseurin und Drehbuchautorin jedoch ins eigene Fleisch. Frauen sind aus ihrer Perspektive selbst ihre ärgsten Feinde und Komplizinnen einer Objektifizierung und Sexualisierung, welcher der fetischisierende Kamerablick selbst frönt. Aufbegehren gilt als Hybris, alles andere als Natürlichkeit als Deformation. Ein nur scheinbar subversives Splatter-Spektakel.