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Inhalt

Bei einer Aktion militanter Tierschützer wird in London ein tödlicher, sich rasend schnell verbreitender Virus freigesetzt, der friedliche Menschen innerhalb von Sekunden in mörderische Bestien verwandelt. 28 Tage nach der Katastrophe machen sich vier Überlebende auf den Weg nach Manchester, wo eine kleine Armee-Einheit angeblich Herr der Lage sein soll. Die Reise durch das verwüstete Großbritannien erweist sich als überaus gefährlich. Auf der Militärbasis angekommen, müssen Jim, Selina, Hannah und Frank erkennen, daß das schlimmste erst noch vor ihnen liegt.
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Quelle: themoviedb.org

Kritik

„Wenn in der Hölle kein Platz mehr ist, kommen die Toten auf die Erde zurück.“ Ein ikonisches Zitat aus George A. Romeros „Zombie – Dawn of the Dead“, dessen popkulturelle Bewandtnis auch nicht Genre-Fans geläufig ist, wie oft wurde dieser Klassiker doch plagiiert, rekonstruiert und parodiert. Was aber, und diesen Gedanken hat auch Romero 1978 nicht kategorisch ausgeschlossen, wenn die Hölle kein der Wirklichkeit entzückter, mythisch-religiöser Ort der Qual ist, sondern die Erde, unsere Heimat, selbst? Wir Menschen jedenfalls tun seit jeher alles dafür, um diesen Eindruck aufrechtzuerhalten: Wir schlachten unseresgleichen massenweise ab, nehmen Tieren ihren Lebensraum, in dem wir ganze Wälder abholzen, und verwechseln Machtbeweise mit rigoroser Dummheit – nichts ist uns heilig, es gibt keine Gefährten mehr, es gibt nur noch Konkurrenz. In „28 Days Later“ von Danny Boyle („Trainspotting – Neue Helden“) lassen sich die Pforten hinein in den infernalischen Schlund in Großbritannien lokalisieren – doch der Schrecken speist sich aus einer globale Beschaffenheit.

2002 sind Danny Boyle und Alex Garland zielsicher in kollektive Angstzustände vorgedrungen, weil sie „28 Days Later“ nicht als Zombiefilm definierten, der auf den reinen Splatter-Effekt spekulierte, sondern vielmehr ein Szenario auf die Beine steltlen, das durch seine beklemmende Aktualität schockierte: Ständig wurde in den Medien von neuartigen Infektionskrankheiten gesprochen (SARS), während BSE langsam aber sicher ebenfalls (mal wieder) die Runde machen durfte. „28 Days Later“ greift die allgemeine Panik vor jenen Krankheiten auf und transferierte sie in ein karges Horror-Korsett, in dem die Wurzel allen Übels auf den sogenannten „Wut-Virus“ zurückzuführen ist: Nachdem eine Gruppe Aktivisten versucht hat, eine Horde infizierter Schimpansen aus ihren Käfigen zu befreien, bricht der hochansteckende Virus aus und erklärt London in Windeseile zur Geisterstadt. Es hat schon etwas ungemein Gespenstisches, wenn Fahrradkurier Jim (Cillian Murphy, „Peaky Blinders – Gangs of Birmingham“) aus dem Koma erwacht und durch die toten Straßen der Metropole streift: Die Gebäude erscheinen wie Relikte einer verflossenen Epoche.

„28 Days Later“ löst ohne Unterlass ein auslaugendes Ohnmachtsgefühl aus: Dieses England besteht nur noch aus den Ruinen der einstigen Zivilisation, alles Materielle hat seinen Wert verloren, in den umher wehenden Zeitungen ist irgendetwas über Evakuation zu lesen, die Litfaßsäulen quellen über vor den Gesichtern der Vermissten und in der Kirche ist schon lange kein Trost mehr zu finden, sondern genau der fauchende Terror, der auch in der Nacht durch dein Fenster springt: Was geblieben ist, ist der Kampf ums Überleben, nicht mehr, nicht weniger. Zusammen mit Selena (Naomie Harris, „Southpaw“), Frank (Brendan Gleeson, „Am Sonntag bist du tot“) und seiner Tochter Hannah (Megan Burns, „Liam“) macht sich Jim auf, einem Funkspruch, der Verpflegung und Schutz in Aussicht stellt, bis hinter die Stadtgrenzen von Manchester zu folgen. Was die Truppe erwarten wird, ist jedoch genau das, was sie überall vorfinden kann: Totalitäre Machtstrukturen, Gewalt und das Ausleben niederster Triebe. Wo die Zivilisation fällt, stirbt auch der zivilisierte Umgang.

Die destruktiven Urtriebe, denen nicht nur die Soldaten auf dem Militärposten erlegen sind, sondern auch die anonymen Horden der Infizierten, weil sie (womöglich?) das wahre Naturell des Menschen metaphorisch widerspiegeln, stellt „28 Days Later“ fortwährend zum Diskurs: Sind es tatsächlich die Infizierten, die dem hinter der domestizierten Fassade verborgenen Wesen des Menschen am nächsten kommen, weil sie sich der gesellschaftlichen Maskerade um Etikette und Sittsamkeit vollständig entledigt haben? Es geht schließlich nur noch ums Fressen. Und da gliedern sich auch die Soldaten ein, denen es indes nur noch ums Ficken geht. Ist der Mensch von Grund auf böse? „28 Days Later“ möchte diese Frage nicht affirmieren, aber er lässt diese Deutungsmöglichkeit offen, wenngleich er unsere Protagonisten als intakte Gemeinschaft beschreibt, die sich durch Liebe die Hoffnung in dieser grobkörnigen Endzeit-Vision bewahrt. Schlussendlich aber ist es nur die Natur, die bestehen bleibt, die sich eigenständig reguliert, die Einkehr und Poesie bereithält, wo sich der Mensch durch Selbstverschulden früher oder später doch auslöscht.

Fazit

Mit „28 Days Later“ hat Danny Boyle erneut seine Wandlungsfähigkeit unter Beweis gestellt: Sein Virus-Horror ist beklemmendes Kino von schockierender Aktualität. Dass sich der Film zum Ende hin etwas zu generisch artikuliert, muss man ihm ankreiden, allerdings geht von „28 Days Later“ als soziologische Studie um das wahre Naturell des Menschen und sein Verhalten in Extremsituationen eine solche paralysierende Spannung aus, dass man ihm einfach Anerkennung zollen muss.

Kritik: Pascal Reis

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