Noch vor Zack Snyders (300, Man of Steel) populärem wie erfolgreichen Remake zum Horrorklassiker Dawn of the Dead war es der Engländer Danny Boyle (Trainspotting, Slumdog Millionär), welcher dem dahinsiechenden Zombiefilm im Jahr 2002 neues Leben einhauchte. In seinem Werk 28 Days Later ließ Boyle England vom hochansteckenden "Rage-Virus" überrennen. Menschen, die mit dem Virus in Kontakt kamen, mutierten in Sekundenschnelle zu triebgesteuerten Wahnsinnigen, welche zombiegleich und doch höchst agil Jagd auf ihre Mitmenschen machten. Und obgleich die Infizierten dabei per Definition eigentlich keine Zombies waren (sprich keine wiederauferstandenen Toten wie etwa in George A. Romeros Night of the Living Dead), wird 28 Days Later gemeinhin gerne als Zombiefilm bezeichnet. Ob ein Zombie grundsätzlich ein Untoter sein muss oder nicht, ist letztlich Haarspalterei und ändert nichts an den Qualitäten dieses atmosphärisch ungemein dichten Werks und an dessen großem Erfolg an den Kinokassen.
In Anbetracht des Erfolgs dürfte es wenig verwunderlich sein, dass fünf Jahre später eine Fortsetzung über die Kinoleinwände flimmerte. Dieses Mal nahm der Spanier Juan Carlos Fresnadillo (Intruders) auf dem Regiestuhl Platz und lies in seinem Regiedebüt das fürchterliche Rage-Virus abermals ausbrechen. Die Haupthandlung setzt dabei, wie es der Filmtitel bereits suggeriert, 28 Wochen nach dem ersten Ausbruch an. Dabei erhöht der Spanier im Sequel den Actionanteil und auch der Härtegrad. Die Fortsetzung konnte allerdings (trotz höheren Budgets) nicht ganz an den Box Office Erfolg des Vorgängers anknüpfen. Ungeachtet dessen gelang es 28 Weeks Later dennoch ein Vielfaches der Produktionskosten einzuspielen.
Das Sequel beginnt mit einer brillanten, rund zehnminütigen Eröffnungssequenz. Diese ist während der ersten Wochen des Virusausbruchs in und um ein Landhaus angesiedelt und könnte genauso gut als eigenständiger Kurzfilm funktionieren. Sie beginnt ruhig sowie atmosphärisch dicht, nimmt dann jedoch plötzlich Fahrt auf und mündet in dramatischen Szenen. Das Grauen und die Bedrohung, welche sich im Vorgänger langsam aufbauten, lernt das Publikum in der Fortsetzung direkt zu Beginn kennen. Das erste Drittel gestaltet sich nach dem furiosen Auftakt erst einmal unaufgeregt, weiß aber mit äußerst stimmungsvollen und gleichermaßen beeindruckenden Aufnahmen des menschenleeren Londons aus der Vogelperspektive zu überzeugen. Währenddessen klären einen Texteinblendungen darüber auf, was in den Tagen und Wochen nach dem Virusausbruch geschah. England gilt mittlerweile als infektionsfrei, da die Infizierten allesamt verhungert sind. Das Militär hat eine Sicherheitszone eingerichtet und beschäftigt sich mit dem Wiederaufbau und der Neubesiedlung Londons. Exakt hier setzt die Haupthandlung von 28 Weeks Later ein. Zwei Kids (Imogen Poots und Mackintosh Muggleton) kommen in der Sicherheitszone an und werden mit ihrem Vater (Robert Carlyle) wiedervereint. Derweil werden noch drei weitere Figuren, ein Helikopterpilot (Harold Perrineau), ein Scharfschütze (Jeremy Renner) und eine Ärztin (Rose Byrne) grob vorgestellt und als Zuschauer lernt man nebenbei die militärisch bewachte Sicherheitszone kennen.
Egal ob Innen- oder Außenaufnahmen, 28 Weeks Later weiß in Sachen Ausstattung und Set-Design zu überzeugen. Die von der Kamera eingefangenen Aufnahmen des unbewohnten Londoner „Stilllebens“ aus der Vogelperspektive sind beeindruckend und erzeugen gleichzeitig eine bedrückende Atmosphäre. Gleiches gilt für die teilweise bereits vom Militär geräumten Gebiete sowie für die heruntergekommenen Straßenzüge der noch unangetasteten Areale. Fresnadillos Werk präsentiert sich dabei visuell abwechslungsreich und lässt immer wieder aufs Neue Aufnahmen aus der Vogelperspektive, lange Kamerafahrten und zahlreiche verwackelte, sich dicht am Geschehen befindliche Aufnahmen miteinfließen. Außerdem kommen zwischendurch mehrfach Aufnahmen aus der Sicht von Überwachungskameras oder Zielfernrohren von Scharfschützengewehren zum Einsatz. Was einen gewissen Voyeurismus beinhaltet, da die Scharfschützen die Bewohner aus Langeweile heraus auch in ihren Wohnungen (u. a. beim Sex) beobachten.
Als infolge eines Ausflugs in die nicht geräumten Gebiete das Rage-Virus abermals ausbricht, setzen dramatische, mitreißende und adrenalinreiche Szenen ein. Ein interessanter Aspekt ist dabei, dass die Gefahr für die Protagonisten nicht nur von den Infizierten, sondern auch vom Militär ausgeht. Dieses hat unter der Führung von General Stone (Idris Elba) nämlich den Auftrag, im Falle eines erneuten, nicht kontrollierbaren Ausbruchs radikal und rücksichtslos vorzugehen (was an George A. Romeros The Crazies erinnert). Dies beinhaltet sowohl das Erschießen von Zivilisten als auch den Einsatz von Brandbomben und Giftgas (beides sorgt für sehr atmosphärische Szenen). Was eine schier atemlose Hatz durch London nach sich zieht. Der herrlich antreibende Score passt hervorragend und lässt den Puls in Verbindung mit den zahlreichen gezeigten Actionsequenzen ordentlich in die Höhe schnellen.
Doch man kommt nicht umhin festzustellen, dass es in erster Linie die dargebotene Inszenierung der Actionsequenzen ist, die einen in den Sitz presst und weniger das Schicksal der Figuren. Abgesehen von David Carlyles Figur erhält der Zuschauer nämlich nur wenige Informationen über und Einblicke in die Charaktere, was auf eine schwache Figurenzeichnung zurückzuführen ist. Jene ist es dann auch, welche es dem Publikum schwer macht, mit den Figuren mitzufiebern. Viele der Actionszenen, insbesondere wenn Menschen von Panik ergriffen flüchten oder Infizierte angreifen, sind schnell und hektisch eingefangen. Die Kamera ist dann häufig (aber nicht ausschließlich) ganz dicht am Geschehen, was oftmals mit schnellen Schnitten und verwackelten Aufnahmen einhergeht. Das geht zwar auf Kosten der Übersicht, entschädigt dafür allerdings mit einer hohen immersiven Wirkung und sorgt im Gegenzug dafür, dass sich die vorherrschende Hektik sowie die panische Verzweiflung auf den Zuschauer übertragen und man regelrecht mitgerissen wird. Letztlich wird der gewählte Stil jedoch mit Sicherheit nicht jedem zusagen.
Da es sich bei 28 Weeks Later um eine Fortsetzung handelt, kommt man nicht umhin, Fresnadillos Werk mit jenem von Danny Boyle zu vergleichen. Welcher Film einem mehr zusagt, liegt tendenziell an den eigenen Vorlieben, denn beide haben ihre Stärken. 28 Days Later kann eine ungleich besser ausgearbeitete Figurenzeichnung für sich verbuchen und aus der Ausgangslage resultierend wirkt Boyles Werk deutlich bedrückender und pessimistischer. So wacht dort die Hauptfigur ahnungslos aus dem Koma auf und findet sich inmitten eines gespenstisch leeren Londons wieder, ohne einen blassen Schimmer davon zu haben, was geschehen ist. Wo der Vorgänger in erster Linie auf ruhige Momente, dichte Atmosphäre sowie Endzeitstimmung setzt und nur wenige, eher kurze Actionsequenzen bietet, geht der von der Ausgangssituation eher optimistische 28 Weeks Later insbesondere in der zweiten Filmhälfte in die Vollen.
Die Actionszenen der Fortsetzung sind deutlich härter geraten und wartet neben zahlreichen blutigen Einschüssen sogar mit einigen Splatterszenen auf, in denen Körperteile abgetrennt und Augen ausgedrückt werden. Geschmackssache, was einem da besser gefällt. Gleiches gilt für die bewusst gewählte Optik, welche als Stilmittel anzusehen ist. Denn 28 Days Later wurde mit Mini-DV (Hand-)Kameras gedreht, was ein eher bescheidenes Bild zur Folge hat. 28 Weeks Later hingegen wurde weitestgehend auf 16mm gedreht, was u. a. mehr Details liefert und weniger verwaschen aussieht. Etwas sonderbar wirkt Fresnadillos Entscheidung, einen Infizierten wiederkehrend auftauchen zu lassen. So entsteht u. a. der Eindruck, dass dieser (diversen Widrigkeiten zum Trotz) die Gruppe geradezu gezielt verfolgt, sich bewusst versteckt hält und dadurch letztlich geistreicher als andere Infizierte agiert. Eine Erklärung für diese ausgeprägteren kognitiven Fähigkeiten bleibt das Drehbuch jedoch schuldig.