6.4

MB-Kritik

60 Minuten 2024

Action, Drama, Sport

6.4

Emilio Moutaoakkil
Dennis Mojen
Marie Mouroum
Florian Schmidtke
Paul Wollin
Aristo Luis
Morik Heydo
Alain Blazevic
Harry Szovik
Ludger Bökelmann
Balázs Megyeri
Oscar Bennett

Inhalt

MMA-Kämpfer Octavio hat nur eine Stunde Zeit, um zu der Geburtstagsfeier seiner Tochter zu kommen, sonst könnte er das Sorgerecht für immer verlieren. Doch um sein Ziel zu erreichen, lässt er einen großen Kampf losbrechen, den allerlei zwielichtige Gestalten nicht mögen. Während Octavio gejagt wird, wird der gnadenlose Wettlauf gegen die Zeit den jungen Vater bald an seine Grenzen bringen.

Ab 19.01.2024 auf Netflix

Kritik

Das Jahr 2024 beginnt bereits im Januar mit zwei heimischen Produktionen, die versuchen deutsches Genrekino darzubieten. In der Vergangenheit wagten sich Filmemacher wiederholt daran, das hiesige Publikum für Horror, Thriller und Action aus deutschen Landen zu begeistern – meist jedoch mit mäßigem Erfolg. Doch während Ende Januar der One-Take-Horrorfilm Home Sweet Home - Wo das Böse wohnt im Kino sein Überzeugungsgeschick unter Beweis stellen wird, startet knapp eine Woche zuvor exklusiv auf Netflix der Actionfilm 60 Minuten. In diesem kämpft Martial-Arts-Profi Octavio gegen eine Horde übler Gestalten, um rechtzeitig bei seiner kleinen Tochter anzukommen.

Bereits 2017 wagten es engagierte Filmschaffende mit dem humorvollen Plan B - Scheiß auf Plan A deutsche Martial-Arts-Action zu etablieren. Das Ergebnis war filmisch beachtlich und lobenswert, jedoch kommerziell eher ein Desaster. Die Verbindung von deutschem Kino und Action à la Hongkong oder Hollywood schien nicht zu funktionieren. 60 Minuten unternimmt dennoch einen weiteren Versuch, wirft dabei den Humorfaktor über Bord und integriert stattdessen ein Echtzeit-Gimmick. Die Uhr tickt für den Profi-Fighter Octavio, dargestellt von Rheingold-Darsteller Emilio Sakraya, der mit notwendiger Präsenz und Physis überzeugt. Der Schauspieler verschmilzt förmlich mit der Rolle. Sein Einsatz ist nicht nur sichtbar, sondern geradezu spürbar. Mit zunehmender Laufzeit wird er immer verschwitzter, dreckiger und kurzatmiger, was einen enormen Druck nach vorne erzeugt, der durch die Actionszenen noch verstärkt wird.

Die Actionszenen sind zweifellos das Highlight des Films. Zwar erreichen sie nie die Intensität von The Raid, jedoch müssen sich die Kämpfe in einer von Neonlicht durchfluteten Disco sowie in engen Seitenstraßen und Hinterhöfen keinesfalls verstecken. 60 Minuten beweist, dass der deutsche Film sehr wohl Action kann. Dies ist nicht nur dem Cast, zu dem auch Stuntprofis wie Marie Mouroum gehören, zu verdanken, sondern auch der beeindruckenden Kameraarbeit von Markus Nestroy. Ihm gelingt es, die Dynamik der Bewegungen – nicht nur innerhalb der Kampfszenen – äußerst fließend und mitreißend einzufangen. Nach rund 12 Minuten beginnt die auf das Wesentliche reduzierte Handlung ihre volle Wirkung zu entfalten, während die Bilder stetig in Bewegung zu sein scheinen, Octavio sich durch die Berliner Bezirke Wedding nach Neukölln hetzt und dabei prügelt.

Leider verliert das zu Beginn etablierte Echtzeit-Gimmick mit zunehmender Laufzeit an Präsenz und Bedeutung. Dadurch geht einiges an Spannung verloren, und spätestens im letzten Drittel stellt sich die Frage, ob die Echtzeitkomponente wirklich notwendig war. Einige Nebenfiguren passen zudem nicht ganz in das Gesamtbild. Die Gangster und Gefährten von Octavio wirken oft zu überzogen, ihre Coolness erscheint aufgesetzt und erzeugt gelegentlich Fremdscham ("Zeig diesen Wichser, dass wir in Berlin ficken und nicht wichsen."). Dies ist jedoch verschmerzbar, wenn man sich bewusst ist, dass der Fokus der Produktion auf der Action liegt. Genau hier liefert Regisseur (Isi & Ossi) und sein Team sehr gute Arbeit ab.

Fazit

Mit beeindruckenden Kampfszenen, dynamischer Kameraarbeit und einem Hauptdarsteller, der die notwendige Präsenz mitbringt, ist "60 Minuten" ein überzeugender Beleg dafür, dass die Bezeichnung "deutscher Actionfilm" nicht zwangsläufig eine Warnung sein muss.

Autor: Sebastian Groß
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