Die zwei Brüder Will (Yahya Abdul-Mateen II, The Trial of the Chicago 7) und Danny (Jake Gyllenhaal, Nightcrawler - Jede Nacht hat ihren Preis) unterhalten sich. Die Kamera zirkuliert um sie herum wie eine Eintagsfliege. Ein Argument wurde gesagt. Schnitt. Der nächste Satz wird gar nicht mehr zu Ende gesprochen, da wird schon wieder geschnitten. Ein Achsensprung. Die Kamera ist jetzt näher dran, aber nur bis zum nächsten Cut, der auch nur drei Sekunden auf sich warten lässt. Tja, willkommen in der Welt des Michael Bay. Nach seinem Netflix-Ausflug mit dem widerwärtigen und so überstilisierten 6 Underground (mehr ein Zustand als Film), kommt sein neues Werk Ambulance wieder in die Kinos.

Ein Remake des dänischen Thrillers Ambulancen aus dem Jahre 2005. Die Handlug ist knapp, aber vielversprechend: Nach einem verpatzten Bankraub kapern zwei Kriminelle einen Krankenwagen. An Bord befindet sich ein angeschossener Cop (Jackson White, SEAL Team) sowie eine Sanitäterin (Eiza González, Fast & Furious: Hobbs & Shaw). Während das dänische Original noch eher auf Spannung ausgelegt war, pfeift Bay darauf und zelebriert das, worin der ein wahrer Maestro ist: Dekonstruktion. Für seine Verhältnisse geht er dabei aber fast schon taktvoll um. Was er sich aber behält ist eine teils enorme Geschwindigkeit. Es dauert relativ kurz, bis die beiden Brüder in der Bank sind und von da an, alles so schief läuft, dass sich daraus eine gefährliche Verfolgungsjagd entspinnt.

Das Wort 'taktvoll' bitte nicht missverstehen. Auch hier werden irgendwann gigantische Schusswaffen, Explosionen und anderweitige Hemmungslosigkeiten ausgepackt. Es sei ihm gegönnt, seine Trademarks unterzubringen, allerdings merkt man Ambulance, genau wie schon 6 Underground, an, dass sich Michael Bay wohl mittlerweile wirklich bewusst ist, dass er und sein Schaffen eine eigene Marke sind. Sehr deutlich wird das im Film etwa dann, wenn die Figuren ohne mit der Wimper zu zucken Bad Boys - Harte Jungs oder The Rock - Fels der Entscheidung zitieren, bzw. referenzieren. Aber auch diesen Jux kann man Bay hier durchgehen lassen, denn als Gesamtwerk funktioniert sein mittlerweile 15. Spielfilm recht gut.

Die Action ist stetig zu formalisiert, aber verliert niemals einen gewissen Grad der Nachvollziehbarkeit. Die Figuren sind nicht mehr als praktikabel, werden aber von spielfreudigen Darsteller*innen verkörpert, auch wenn das Script von Chris Fedak (Prodigal Son) vielleicht doch die eine oder andere Rolle zu viel besitzt (es gibt Momente, da wirkt die Geschichte wie eine Actionversion des Episodenfilms Short Cuts). Besondes schade: Der anfangs durchaus vielversprechende Gangsterschreck Captain Monroe (Garret Dillahunt, Army of the Dead) wird irgendwann ziemlich fade aus der Gleichung genommen.

Das wahre Highlight des Films ist aber die Kamera, bzw. die Drohnenaufnahmen. Bay scheint ein neues Spielzeug für sich gefunden zu haben und er setzt es häufig, aber nie zu inflationär, in Ambulance ein. Es gibt diverse richtig tolle Einstellungen zu bestaunen, aber auch hier kann Meister Schnittgewitter nicht die Finger vom Cut-Knopf lassen. Das ist wirklich unselig, denn bei solchen Shots sorgt ein Schnitt nicht für Dynamik, sondern kommt mehr einem Fremdkörper gleich. Vielleicht lernt er es ja noch. Darauf vertrauen sollten wir aber wohl lieber nicht.

Es sind bei Ambulance aber nicht alle bay‘schen Merkmale misslungen. Tatsächlich gelingt es ihm am Ende verdienten Pathos walten zu lassen. Keinen Pathos für Soldaten, Generäle oder Söldner, sondern für den medizinischen Berufsstand. Eine wirklich schöne Geste, die durchaus davon unterstrichen wird, dass hier und da sehr klargemacht wird, dass die Geschichte während der Covid-19-Pandemie spielt. Bay, der ja auch den unsäglichen Corona-Thriller Songbird produzierte, erweist sich zumindest hier als durchaus netter Mensch, auch wenn seine Filme stets so wirken, als wäre ein waschechter Megalomane am Werk. So auch bei Ambulance, einem der besseren Bayhems.