Inhalt
Carol Danvers alias Captain Marvel (Brie Larson) hat in THE MARVELS ihre Identität von den tyrannischen Kree zurückerobert und Rache an der Obersten Intelligenz genommen. Die unbeabsichtigte Folge ihrer Tat ist jedoch, dass Carol die Last eines instabilen Universums auf sich nehmen muss. Sie wird mit einem mysteriösen Wurmloch konfrontiert, das mit einem Kree-Revolutionär in Verbindung steht, und ihre Kräfte verweben sich plötzlich mit denen von Superfan Kamala Khan aus Jersey City aka Ms. Marvel (Iman Vellani), und von Carols entfremdeter Nichte, der jetzigen S.A.B.E.R.-Astronautin Captain Monica Rambeau (Teyonah Parris). Das ungleiche Trio muss ein Team bilden und lernen, an einem Strang zu ziehen, denn nur gemeinsam als THE MARVELS können sie das Universum retten!
Kritik
Haben sich die Marvel Studios mit ihrem MCU in eine ausweglose Situation oder einen kreativen Wendepunkt manövriert? Nach dem gigantischen Erfolg von Avengers 4: Endgame war es unausweichlich, die Erzählung fortzusetzen. Das Aufhören ist keine Option, wenn das finale Kapitel der dritten Phase am weltweiten Box Office fast 2,8 Milliarden US-Dollar eingespielt hat. Die wahre Superkraft bleibt das Kapital. Doch es scheint, als ob die Glanzzeit der projizierten Marvel-Abenteuer vorüber ist. Selbst die treuesten Anhänger des MCU haben Schwierigkeiten, die Maschinerie der Übersättigung schönzureden. Streaming-Serien wie Moon Knight oder She-Hulk: Die Anwältin sollten das MCU erweitern und vor allem qualitativ bereichern. Letzteres gelang keiner der exklusiven Disney+ Inhalten. Gleiches gilt für die Leinwandproduktionen. Weder Doctor Strange in the Multiverse of Madness noch Ant-Man and the Wasp: Quantumania konnten den Hype vergangener Werke aufrechterhalten oder langfristig einen positiven Eindruck hinterlassen - im Gegenteil. Dies und einige andere geschäftliche und gesellschaftliche Fehlentscheidungen haben uns zu diesem Punkt geführt: The Marvels erscheint, und es scheint, dass nur wenige wirklich interessiert sind.
Es ist erwähnenswert, dass die vielversprechende Filmemacherin Nia DaCosta auf dem Regiestuhl saß, die bereits mit Candyman eines der besseren sowie interessanteren Horror-Remakes der Moderne inszenierte. Und obwohl Brie Larson oft als unsympathisch gebrandmarkt wird, handelt es sich dennoch um eine talentierte Oscar-prämierte Schauspielerin. Ehrlich gesagt, The Marvels besitzt Qualitäten, die offensichtlich vorhanden sind - zumindest in der Theorie. Vor seinem Start erregte vor allem die Tatsache großes Interesse, dass der Film – eine untypische Ausnahme im MCU – mit einer Laufzeit von knapp unter zwei Stunden daherkommt. Tatsächlich ist er nach etwa 105 Minuten bereits zu Ende. Es stellt sich die Frage, was es über ein Werk und seine Relevanz aussagt, wenn die Dauer eines Films im Vorfeld seines Starts zum beherrschenden Diskussionsthema wird.
Die Marvel Studios haben anscheinend erkannt, dass sich etwas ändern muss und sind bereit Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Anfang 2024 wird die Mini-Serie Marvel Studios' Echo unter dem neuen Spotlight-Banner veröffentlicht, die eigenständigere und rauere Erzählansätze verfolgt, anstatt sich stark auf die Kontinuität zu stützen. Dieser Schritt ist zweifellos positiv, jedoch könnte er zu spät kommen, um die negativen Entwicklungen rund um The Marvels auszugleichen. Der Ruf des Franchise ist angegriffen. Interessanterweise könnte der 33. Beitrag zum Marvel Cinematic Universe (erneut) dazu beitragen, dass alte Fans versöhnlicher gestimmt werden, da es einige überraschende Elemente in diesem Werk gibt.
Wiederholt erlaubt sich das Drehbuch von Nia DaCosta, Megan McDonnell und Elissa Karasik Abstecher in die Welt des Kuriosen, wie beispielsweise auf einen farbenfrohen Planeten, auf dem eine äußerst musikalische Methode der Kommunikation existiert. Auch Nicht-Katze Goose ist wieder dabei und erhält, gemäß den Regeln einer Fortsetzung, bedeutend mehr Screentime als zuvor. Außerdem sorgt das gefräßige Tier dafür, dass wir vier Jahre nach Cats wieder"Memories" im Kino hören. Dies alles ist charmant und ansprechend, und erinnert oft an die Exzentrik, die bereits Quantumania bot. The Marvels bietet zweifellos überlegene Spezialeffekte im Vergleich dazu, auch wenn das dritte Solo-Abenteuer des Ameisenhelden eher darauf abzielte, die Extravaganzen fremder Welten in vollem Umfang zu umarmen.
Was beide Titel gemeinsam haben, ist die Schwierigkeit, eine Geschichte zu erzählen, die für das eigene Universum von Bedeutung ist. Bei The Marvels liegt dies auch daran, dass die Bedrohung nicht wirklich kraftvoll ist. Die Darstellerin Zawe Ashton ist nur eine weitere von vielen Malen-nach-Zahlen-Antagonisten, die im und außerhalb des MCU nie mehr als das Gefühl der Gleichgültigkeit evozieren. Schurke A ist blau, Schurke B hat einen Hammer, Schurke C wird vermutlich einen Hut tragen. Die Herausforderung, wie eine schwach wirkende Widersacherin überzeugen soll, wenn es gleich drei Heldinnen gibt, ist offensichtlich. Das Zusammenspiel von Captain Marvel, Ms. Marvel und Teyonah Parris als Monica Rambeau mag auf den ersten Blick schlau und gewitzt erscheinen, letztendlich handelt es sich jedoch um drei austauschbare Rollentypen. Wenn Samuel L. Jackson als Nick Fury fast schon schulterzuckend auf die Existenz neuer Figuren reagiert, stellt dies wahrscheinlich den besten, wenn auch unbeabsichtigten, Meta-Kommentar dar, den dieses Franchise jemals abgegeben hat.
Es ist nicht so, dass Iman Vellani als Fangirl Kamala Khan und Superheldin Ms. Marvel in Personalunion misslungen ist. Allerdings agiert ihre Figur eher wie ein Konzept einer Teenagerin anstatt eines echten Menschen. Sie darf keine wirkliche Angst zeigen, sondern muss stets charmant, leicht schrullig und sympathisch erscheinen. Sie, ebenso wie ihre Kolleginnen, sind eher rudimentäre Blaupausen, auf denen die Bedrohungen und Geschichten aufbauen. Der Kniff, dass die drei ihre Plätze tauschen, wenn sie ihre Kräfte einsetzen, mag zu Beginn funktionieren, doch verliert er bald an Frische, und die präsentierten Actionszenen bieten nicht mehr als Standardware ohne Kinetik, Druck und Einprägsamkeit.
Die Lage hätte noch schlimmer und austauschbarer sein können, was positiv und überraschend ist. Jedoch reicht das nicht aus, um The Marvels zu einem empfehlenswerten Film zu machen. Ebenso wenig hilft die erzählerische Politik, die Disney verfolgt. Für diejenigen, die WandaVision, Ms. Marvel, Secret Invasion und Hawkeye nicht gesehen haben, kann The Marvels zuweilen verwirrend sein. Dennoch ist dies nicht so gravierend, dass der gesamte Film zu einem narrativen Durcheinander verkommt. Dennoch tun sich die Marvel Studios keinen Gefallen, indem sie ihre Kinofilme mit der Fleißarbeit des Ansehens ihrer Disney+-Serien verknüpfen.
Alles wird vermutlich in den Hintergrund treten, sobald der Film im Kino erscheint. Der Grund dafür ist die obligatorische Abspannszene. Diese könnte dazu führen, dass das MCU an einem Wendepunkt angelangt. Ob dieser Wendepunkt kreativ ist, bleibt abzuwarten. Es ist bemerkenswert, dass vor dem Start des Films die Diskussion vor allem um die Laufzeit kreiste, während es nach dem Start vermutlich eher um eine kurze Szene im Abspann geht. Letztlich dreht sich die Diskussion selten um den eigentlichen Film. The Marvels mag gefallen oder nicht, doch er scheint keine wirkliche Relevanz zu besitzen. Was sagt das über ein Franchise aus?
Fazit
"The Marvels" frustriert mit einer uninspirierten Handlung und flachen Charakteren. Trotz einiger Highlights fehlt dem Film die notwendige Dimension, um dem Franchise neuen Schwung zu verleihen. Alles was bleibt werden mal wieder nur die Diskussionen und Mutmaßungen über die Zukunft des MCUs sein. Reddit-Foren können gewiss auch einfacher gefüllt werden, oder?
Autor: Sebastian Groß