Die WWE ist die größte und bekannteste Wrestling-Promotion der Welt. Lange Zeit hatte die WWE aber ein horrendes Imageproblem, welches sie sich selbst erschaffen hat: Jahrelang standen zwar Wrestlerinnen im Ring, jedoch waren sie trotz teils immenser Talente meist nicht mehr als Eye Candy. Statt spannenden und intensiven Matches gab es etwa sogenannte Bra-&-Panties-Fights, in der die Kontrahentinnen sich gegenseitig die Kleidung vom Körper zerrten. Wer zuerst in Unterwäsche da stand, hat verloren. Das war eine schöne Zeit für notgeile Zuschauer mit der einen Hand an der Bierdose und der anderen am Hosenstall, mit gutem Wrestling hatte das jedoch nichts zu tun.
Vor ein paar Jahren setzte sich dann mit #GiveDivasAChance ein Hashtag durch, erschaffen von unzufriedenen WWE-Fans. Die WWE änderte ihre Politik. Statt Divas stehen jetzt Wrestlerinnen im Ring, statt Strip-Kämpfen gibt es mittlerweile ernsthafte Matches und dieses Jahr bei Wrestlemania, dem größten Wrestling-Event des Jahres, standen im Main Event erstmals drei Frauen, die nicht bloß Augenfutter waren. Eine der Wrestlerinnen, die untrennbar mit diesem Wandel der WWE zu tun hat, war Paige. Diese heißt gebürtig eigentlich Saraya-Jade Bevis und stammt aus einer britischen Familie, die Wrestling im Blut hat.
Die Geschichte dieser Familie erregte bereits vor einigen Jahren das Interesse eines TV-Senders, der eine Doku über die Bevis umsetzte. Einer der Zuschauer war niemand anderes als Dwayne Johnson, der auch aus einer Wrestling-Familie kommt und seine Karriere unter dem Namen The Rock bei der WWE startete. Angefixt von der wahren Geschichte und dem Aufstieg von Paige, aus den versifften Second-Hand-Wrestlingringen hinein ins Spotlight der WWE, kontaktiere er den Komiker und Filmemacher Stephen Merchant (The Office), mit dem Johnson seit Zahnfee auf Bewährung gut befreundet ist. So kam es dazu, dass wir nun Fighting with my Family zu sehen bekommen.
So besonders die Entstehungsgeschichte des Films auch ist, das Biopic bewegt sich auf altbekannten Pfaden. Der Aufstieg vom Zero to Hero wurde uns schon dutzende Mal serviert und gewiss das ein oder andere Mal auch besser. Dennoch erweist sich Fighting with my Family als sehenswerter Film. Das liegt daran, weil es Merchant, der auch das Script schrieb, gelingt, seine eigene Handschrift in den Film unterzubringen. Wenn Paige als Britani Knight in Pubs und schäbigen Turnhallen wrestlet wirkt das stets authentisch. Der Mief von altem Schweiß ist genauso spürbar, wie die Herzlichkeit ihrer Familie, die ebenfalls einen großen Teil des Films bestimmt.
An vorderster Front stehen dabei vor allem die Eltern, die von Lena Headey (Game of Thrones) und Nick Frost (Hot Fuzz - Zwei abgewichste Profis) gespielt werden. Die beiden haben eine wunderbare Chemie und sorgen mit für die amüsantesten Momente des Films. Aber auch Hauptdarstellerin Florence Pugh (Outlaw King) überzeugt. Es dauert vielleicht nur zehn Sekunden und man hat eine empathische Verbindung zu den Figuren aufgebaut. Selbst wenn man mit Wrestling nichts am Hut hat und einem Begriffe wie Irish Whip, Hot Tag oder Powerslam nichts sagen, funktioniert der Film erstaunlich gut. Zum einen, weil er ganz nebenbei einem die Welt hinter der Wrestlingshow erklärt (ohne dabei didaktisch vorzugehen), zum anderen, weil er auch nicht zu sehr in die Materie abdriftet. Dennoch wird klar, dass es um eine Leidenschaft geht.
Diese Leidenschaft für diesen Sport, bzw. Sport Entertainment, ist der geheime Motor von Fighting with my Family . Er treibt die Handlung und die Charaktere an. Ja, der Ablauf ist klar – selbst wenn man Paiges Karriere nicht kennt – und große Überraschungen gibt es nicht. Dafür bemüht sich Merchants Script aber darum Klischees zu entzaubern. Mag sein, dass er dabei hin und wieder etwas zu sehr mit dem moralischen Zeigefinger agiert, die Effizienz spricht aber für sich, denn wer nach Fighting with my Family noch glaubt, dass Wrestler nur aufgepumpte Dummbeutel sind, darf sich gewiss zum König der Ignoranten krönen.
Allerdings ist auch Fighting with my Family etwas ignorant. Die WWE hat den Film mitproduziert. Das merkt man durchaus. Die Firma, die zuletzt durch John Olivers Last Week Tonight in negative Schlagzeilen geraten ist (hier zu sehen), versucht alles damit sie im rechten Licht da steht. Eine etwas kritischere Auseinandersetzung wäre da definitiv angebracht. Allerdings, wenn man sich mit Wrestling etwas auskennt, bezweifelt man zu keiner Sekunde, dass es für Wrestler nur einen ultimativen Traum gibt, und zwar im Ring der WWE zu stehen, die Firma, die The Rock groß machte.
Fans von diesem könnten allerdings enttäuscht werden. Zwar prangert der Actionstar auf dem Filmposter und war auch in den Trailern prominent vertreten, mehr als 2 größere Szenen gibt es mit ihm aber nicht im Film zu sehen. Diese sind dafür aber allesamt gelungen, auch wenn sich manche daran stören dürften, wie er dargestellt wird. Zum Glück gibt es mit Vince Vaughn (Brawl in Cell Block 99) als WWE-Coach eine Figur, die für ordentlich Bodenhaftung sowie den größten dramaturgischen Kniff sorgt. Denn neben Paige will auch ihr Bruder Zak (Jack Lowden, Maria Stuart, Königin von Schottland) zur WWE. Der Coach lehnt ihn aber ab, was die familiäre Beziehung ordentlich zerrüttet und ebenfalls dafür sorgt, dass Fighting with my Family niemals zu sehr abhebt. Das macht ihn zu einem beflügelnden Film ohne echte Flügel.