Es ist sicherlich nicht einfach einen von Sucht geplagten Menschen zu spielen und die Suchtproblematik adäquat in einem Film darzustellen. Tallulah Haddon (Taboo) als Justine ist an dieser Aufgabe deutlich gescheitert. Auch der Regisseur Jamie Patterson (Tracks) war hier keine große Hilfe. Die endlosen Gespräche, die Justine mit ihrer Bewährungshelferin bzw. Therapeutin führt, bringen niemanden weiter, weder die Therapeutin noch Justine noch die Zuschauer. Dieser Film ist eine Zumutung und er ist nicht einmal deprimierend, obwohl er es sicherlich in Anbetracht der ernsten Thematik sein sollte. Man sollte mit Justine mitfühlen, Angst um sie haben, aber man bringt nicht genug Empathie für diese Figur auf und das bedeutet wiederum, dass der Film es nicht schafft, den Zuschauer auf der emotionalen Ebene mitzunehmen. Justine wirkt zu keinem Zeitpunkt so, als ob sie ein Alkoholproblem hätte, sondern als ob Tallulah Haddon so tun würde "als ob". Justine sieht aus, wie ein äußerstes gesundes, von Leben nur so strotzendes Mädchen.
Wenn Haddon eine Alkoholkranke spielen wollte, die übrigens schon länger an ihrer Sucht leidet, dann hätte sich die Maske wenigstens ein bisschen bemühen sollen, sie entsprechend herzurichten, denn egal, wie „fertig“ die Figur auch ist, sie sieht immer strahlend und gesund aus. Eine entsprechende Anpassung des äußeren Erscheinungsbildes hätte der Darstellerin sicherlich auch geholfen, sich besser in ihrer Rolle zurechtzufinden. Die liebe Justine sieht wie ein kerngesundes Bauernmädchen aus und sie kann noch so viel behaupten, dass sie Wodka in ihrem Fläschchen hat, man kauft es ihr einfach nicht ab. Wenn man bedenkt, wie intensiv die Darstellung einer Sucht in einem Film sein kann und sich an die herausragende Performance des jungen DiCaprio in Jim Caroll - In den Straßen von New York erinnert, dann merkt man ganz deutlich, dass Justine in einer ganz anderen Liga spielt. Während DiCaprios Darstellung den Zuschauer mitten ins Herz trifft, erinnert Haddons Darstellung eher an Laientheater. Man könnte zwar sagen, dass eine Drogensucht anders gespielt werden muss als eine Alkoholsucht, aber Sucht bleibt trotzdem Sucht und Haddon kauft man höchstens ab, dass sie nach Milch süchtig ist.
Außerdem werden in den Film ohne jegliche Beweise solche Sätze hineingeworfen: „Du bist doch so intelligent.“ Diesen Satz richtet ihre Bewährungshelferin an Justine. Warum ist sie denn so intelligent? Zu keinem Zeitpunkt liefert der Film Anhaltspunkte für diese Behauptung. Man streut einfach nur diesen einen Satz hinein und hofft, dass der Zuschauer es einfach so hinnimmt. Von der katastrophalen Chemie zwischen den beiden Frauen, die hier ein Paar spielen, möchte man erst gar nicht reden. Sie spielen ein verliebtes Paar und sehen dabei so aus, als wären sie flüchtige Bekannte, die nebeneinander sitzen und sich sichtlich unwohl fühlen. Das Problem liegt hier eindeutig darin, dass immer nur von der Szene zur Szene gedacht wird. In der einen Szene, in der sie reden, vergessen sie völlig ihren Subtext, aus dem sich ergibt, dass sie ein verliebtes Paar sind. Dann werden plötzlich fröhliche Liebesszenen gedreht und man ahnt es schon, wie aus heiterem Himmel wird gelacht und geknutscht, aber im Gesamtzusammenhang erscheint es einfach lächerlich. Wenn man einen Verliebten spielt, dann muss die Liebe durchgängig sichtbar sein und nicht nur dann, wenn es gerade in einer Szene relevant ist. Aus irgendeinem Grund stimmt die Chemie nur zwischen Justine und ihrem besten Freund Peach (Xavien Russell, Top Boy). Mit ihrer eigentlichen Freundin Rachel, gespielt von Sophie Reid (Die Schöne und das Biest) wirkt Haddon zu reserviert. Insgesamt kann Haddon den Film nicht tragen und nicht den Schmerz vermitteln, den Justine in sich trägt. Auch die wichtige Problematik des Leides, den die Angehörigen der Süchtigen erleben, wird hier nur oberflächlich, eindimensional und lieblos dargestellt.