Inhalt
Drew kehrt nach Jahren der Abwesenheit zurück in seine Heimatstadt, wo er die Liebe seines Lebens wiedertrifft – seine Adoptivschwester June. Gemeinsam wollen sie ihren kriminellen Adoptivvater endgültig loswerden und so ihrer Vergangenheit entfliehen. Dabei stellen sich ihnen jedoch nicht nur Vater Larry, sondern auch der von ihm angeheuerte eiskalte Auftragskiller Pope in den Weg, sodass den Adoptivgeschwistern nur eine Möglichkeit bleibt...
Kritik
In Let Me Make You a Martyr zeichnet das Regie-Duo Corey Asraf und John Swab das Bild einer Welt, die sich nie konkret greifen lässt und doch wie ein hyperrealistisches Abbild finsterster Abgründe erscheint. Irgendwo in Oklahoma sind die Ereignisse dieses Films verortet, der den Betrachter an abschreckenden, heruntergekommen und verlassenen Schauplätzen entlang führt, die von Menschen bevölkert werden, welche kaum noch als solche erkennbar sind.
Als der Auftragskiller Pope zu Beginn vor der Zimmertür seines nächsten Opfers steht und dieses zur Aufgabe zwingen will, haucht er dem Mann hinter der Tür mit beängstigend ruhigem Tonfall zu, dass er sowieso schon tot sei. Diese beiläufige Aussage beschreibt den atmosphärischen Charakter von Let Me Make You a Martyr genauestens, denn sie trifft auf beinahe jede Figur zu, die man im Laufe des Films noch zu Gesicht bekommt. Junkies, die unentwegt an der Nadel hängen und ihr verbliebenes Dasein als Strafe betrachten, während sie ihren bevorstehenden Tod mit einem Lächeln auf dem Gesicht willkommen heißen, junge Frauen, die zugedröhnt und knapp bekleidet wie Vieh von einem Wohnwagen zum nächsten geschleift werden und skrupellose Gangsterbosse, die sich an ihren eigenen Adoptivkindern vergreifen, verdichten sich in Asrafs und Swabs Werk zu einem körperlich auslaugenden Panorama, das einen direkten Blick in die Hölle auf Erden offenbart.
Inmitten dieses Settings, das die Regisseure mit behutsamer Langsamkeit beleuchten, um kein einziges schmerzhaftes Detail auszusparen, entfaltet sich eine Geschichte, in der Neo-Noir- sowie Rache-Motive knochentrocken aufgeboten und mitunter provokant gebrochen werden. Nach sechs Jahren kehrt Hauptfigur Drew wieder an jenen Ort zurück, der seine Heimat darstellt und sich in seiner Abwesenheit nicht verändert hat. Sein Ziel besteht darin, seine Adoptivschwester June aufzusuchen und mit ihr für immer von dort zu fliehen, wo beide von Kindheit an nichts all Gewalt, Missbrauch und andere Grausamkeiten durchleiden mussten. Durch die Liebe, die beide füreinander entwickelt haben, ist June für Drew das einzige, was ihn noch mit Leben erfüllt.
In ihrem Film setzt sich das Regie-Duo innerhalb dieser Rahmenhandlung vor allem damit auseinander, wie zwei gequälte Seelen in einer Welt, die sie ganz entscheidend geprägt und gewissermaßen ruiniert hat, wiedervereint werden und gemeinsam einen Ausweg suchen, der für sie eine Form von Erlösung bereithält. Die Gewalt, die Drew seinem Umfeld auf dieser Reise entgegenbringt, wird von Asraf und Swab dabei ausschließlich ins Off verlagert, als läge im Zeigen der Brutalität längst keinerlei Wert mehr. Es ist eine Form von antiklimatischer Konsequenz, die zudem mit der ungewöhnlichen Handlungsstruktur verknüpft wird. Die Ereignisse werden nicht chronologisch erzählt, sondern von Drew in einem Verhörraum rekonstruiert und gleichen so fiebrigen Erinnerungsfragmenten, deren faktischer Wert bisweilen angezweifelt werden darf.
Let Me Make You a Martyr ist somit einer dieser Filme, in denen Rache als zentrales Motiv nicht nur in ihrem dunkelsten Ursprung ergründet, sondern mit fortschreitender Dauer um ihre Katharsis beraubt wird, die im finalen Drittel auf andere Weise ersucht wird. Nach dem langsamen Aufbau, der mit typischen Slow-Burn-Thrillern vergleichbar ist, verleihen die Regisseure ihrem nihilistischen Grundton und den bisweilen lyrisch-philosophischen Dialogen zusätzlich einen religiösen Unterbau, der sich ebenso faszinierend wie bewegend in den Kontext des schwer erträglichen Szenarios einfügt. Der von Marilyn Manson (Party Monster) mit unglaublicher Präsenz gespielte Auftragskiller Pope ist als präzise eingesetzte Nebenfigur nicht nur ein unaufhaltsamer Todesengel, der seine Aufträge mit erschreckender Gelassenheit ausführt, sondern kann ebenso als Teufel höchstpersönlich betrachtet werden, der gelegentlich in die von ihm selbst geschaffene Hölle eindringt.
Die letzten 20 Minuten dieses Films gehören nichtsdestotrotz Drew und June. Auf ihrem Weg nehmen sie ein kleines Mädchen mit, das zuvor gefesselt in einem Container stand und für sie den letzten Funken Reinheit und Unschuld symbolisiert, der in diesem Höllenschlund noch aufblitzt. Asraf und Swab setzen nach einem markerschütternden Höhepunkt, der grausamer und zärtlicher zugleich kaum sein könnte, schließlich noch zu einer letzten Wendung an. Diese dürfte viele Zuschauer nachdenklich zurücklassen, während sie für die Figuren durch ihre mutige Ergründung spiritueller Fantasien einen Hauch von Erlösung beschwört, an den man sich zum Ende hin noch einmal festklammern will, bevor es Zeit ist, loszulassen.
Fazit
„Let Me Make You a Martyr“ ist abgründige Milieustudie, Rache-Meditation, Slow-Burn-Thriller und religiös angehauchte Erlösungsfantasie in einem. Das Regie-Duo Corey Asraf und John Swab balanciert sämtliche Elemente ihres unkonventionellen Films mit beachtlicher Präzision und führt die Geschichte auf einige emotionale Faustschläge zu, die fernab von explizit dargestellter Gewalt, die hier ausschließlich im Off geschieht, nachhaltig aufwühlen und beschäftigen dürften.
Autor: Patrick Reinbott