Inhalt
1943. Während des Zweiten Weltkriegs steht in der besetzten Sowjetunion ein langer Winter bevor. István Semetka gehört zu einer ungarischen Sondereinheit, die Dorf für Dorf nach Partisan*innen durchsucht. Eines Tages gerät die Einheit auf dem Marsch in eine entlegene Ortschaft unter feindlichen Beschuss. Der Kommandeur wird getötet und als Ranghöchster muss Semetka die Führung übernehmen. Durch ein Sumpfgebiet führt er die Überlebenden zu einem besetzten Dorf, wo sie wieder zu ihrer Abteilung stoßen.
Kritik
Erde, Wasser und Feuer sind die elementaren Fixpunkte in Dénes Nagys (A repülés története) kontemplativem Spielfilmdebüt. Das verfolgt weniger eine Handlung als die Ikonographie von Landschaft zum Sinnbild menschlicher Moral-Dilemma. In einem solchen steckt der Hauptcharakter Semetka (Ferenc Szabó), der unversehens auf einer Sondermission in die Position des Ranghöchsten gerät. Die ungewollte militärische Verantwortung macht ihm seine ethische Verantwortung sowohl gegenüber seinen eigenen Männern als auch den Bewohner eines armseligen Dorfes, welches die Sondereinheit nach Rebellen durchsucht.
Der Titel verweist auf die visuelle Ausrichtung einer dramaturgischen Momentaufnahme, die unter dem Gewand eines Kriegsdramas eine symbolistische Naturstudie verbirgt. Die Kamera betrachtet endlos die dräuenden Wäldern, in denen kalter Nebel aufsteigt. Auch der schweigsame Semetka sieht den Wald bald vor lauter Bäumen nicht, unfähig gefühlte Verpflichtung gegenüber der Kompanie von seiner eigenen Überzeugungen abzugrenzen. Über ein humanistisch definiertes Moralverständnis stellt Regisseur und Drehbuchautor Nagy mittels verklärter Aufnahmen orthodoxer Ikonen ein religiöses, dezidiert christliches Wertkonzept.
Dabei versackt die rudimentäre Geschichte jedoch in der reinen Versuchsanordnung. Die erhabenen Naturszenen ziehen sich genau wie die Kameraporträts bedeutungsschwerer Gesichter endlos in die Länge, während hinter aufgesetzter Ataraxie die dramatisch Leere immer klarer hervortritt. Das umliegende Sumpfland wird zur plakativen Metapher für den moralischen Morast, in dem Semetka als Prototyp des ehrenhaften Soldaten versackt. Diese unterschwellige Idealisierung eines in der Militärpropaganda populären Konstrukts männlicher Stärke in Physis und Charakter untergräbt die szenisch stilisierte Ethikkritik.
Fazit
So stimmungsvoll die Waldeinsamkeit, in der sich der spröde Held von Denes Nagys skizzenhafter Konfliktstudie verliert, kann reine Landschaftsästhetik nicht das lockende Narrativ ausgleichen. Die von Kameramann Tamas Dobos’ unheilvollen Panoramen und fähigen Darsteller*innen aufgebaute Spannung läuft ins Nichts. Die resignative Rat- und Orientierungslosigkeit der Hauptfigur rückt in gefährliche Nähe zu Konzilianz mit der machiavellistischen Grausamkeit der Machtebene. Die Frage nach dem individuellen Wert nicht durchsetzbarer Grundsätze wird zur Frage nach deren praktischem Nutzen.
Autor: Lida Bach