Amerikanisch-Samoa, eine kleine Inselgruppe im Pazifischen Ozean mit einer Fläche von 199 km² und mit weniger als 50.000 Einwohnern, verbindet man eher mit einem idyllischen Urlaub an traumhaften Stränden und einer ebenso schönen Natur, als mit Sportereignissen. Dennoch nimmt das kleine Inselreich, das völkerrechtlich ein Außengebiet der USA ist, regelmäßig an Olympischen Spielen teil und hat sogar eine eigene Fußballnationalmannschaft, die sich tatsächlich in den Rekordbüchern verewigen dufte. Leider nicht im positiven Sinne, den das Team hält bis heute den traurigen Rekord der höchsten Niederlage in einem offiziellen Länderspiel. Am 11. April 2001 besiegte die australische Mannschaft das Team aus Amerikanisch-Samoa mit 31:0. Dank einiger weiterer hoher Niederlagen hatte man den Ruf einer absoluten Losertruppe weg. Dennoch trat man immer wieder zu Länderspielen an, angetrieben davon, vielleicht doch einmal zu gewinnen oder einfach nur ein Tor zu schießen. Für die Qualifikation zur WM 2014 engagierte man nicht nur den niederländischstämmigen amerikanischen Fußballtrainer Thomas Rongen, sondern erlaubte einem britischen Filmteam sie dabei für einen Dokumentarfilm zu begleiten.
Next Goal Wins basiert auf dieser gleichnamigen Doku und erzählt von einer liebevollen Truppe, die trotz vieler Rückschläge immer zusammenhält und mit einem unerschütterlichen Optimismus ausgestattet ist. Dabei werden weitestgehend die gängigen Konventionen einer typischen Underdog-Sport-Story erfüllt, wie sie schon so oft wiedergegeben wurden. Der frisch entlassene Auswahltrainer Thomas Rongen (Michael Fassbender, Assassin's Creed, in blond) wird vom US-Verband vor die Wahl gestellt: Arbeitslosigkeit oder die erfolglose Nationalmannschaft von Amerikanisch-Samoa zu trainieren. Widerwillig nimmt er das Jobangebot an, nur um kurz nach seiner Ankunft die Entscheidung schon zu bereuen. Die Mannschaft scheint absolut talentfrei zu sein, hat aber ein großes Herz. In nur drei Wochen soll er das Team für die anstehenden Qualifikationsspiele zur Fußball-WM 2014 fit machen. Eine schier unmögliche Aufgabe, an der der temperamentvolle Coach zu scheitern droht und deshalb ein ums andere Mal selbst hinwerfen will. Wer die Doku zum Film nicht kennt, könnte das Schauspiel von Fassbender eventuell für übertrieben halten, doch wer sie gesehen hat, wird schnell erkennen, dass er sich mit seiner Spielweise an den echten Rongen orientiert und sein Temperament, seine Leidenschaft und seine Emotionen absolut realistisch und überzeugend wiedergibt. Er spielt jemandem, der absolut alles gibt, um das unerfahrene Team aus seinem Tief herauszuholen und zeigt der Mannschaft von Amerikanisch-Samoa, dass nichts unmöglich ist.
Es gibt tatsächlich noch Lichtblicke und Talente, die der Mannschaft helfen können. Allerdings gibt es auch noch einige Hürden, die es zu überwinden gilt. Zum einen wäre da das Torwartproblem. Der talentierte Keeper Nicky Salapu (Uli Latukefu, Noch einmal June), der beim 31:0 im Tor stand, hat sich zurückgezogen und sein Nachfolger scheint eine absolute Fehlbesetzung zu sein. Nun gilt es ihn und vielleicht noch andere Ehemalige wieder zurückzuholen. Zum anderen muss Rongen zunächst verdauen, dass eines der größten Talente seiner Mannschaft, eine Fa'afafine ist. Fa'afafine bedeutet so viel, wie „wie eine Frau“. In der samoanischen Kultur werden sie als eigenständiges soziales Geschlecht gesehen. In der Doku Next Goal Wins beschrieb Jaiyah Saelua die Fa'afafine damit, dass sie die Seele eines Mannes und die Seele einer Frau haben. Jaiyah (im Film großartig von Kaimana gespielt) ist übrigens die erste transgender lebende Person, die an einem offiziellen Länderspiel teilnahm. Hier könnte man jetzt einwenden, dass man den Fokus auf dieses durchaus wichtige und nicht minder interessante Thema hätte legen und Jaiyah in den Mittelpunkt hätte stellen können. Genauso hätte es die Thematik des durch die vielen Niederlagen arg gebeutelten und gedemütigten Torhüters verdient mehr Beachtung zu bekommen, aber dies hätte der heiteren Komödie eher geschadet und ihrer eigentlichen Stärke beraubt.
Next Goal Wins lebt von seiner Lockerheit und Leichtigkeit, hat aber ebenso seine dramatischen Elemente, die sowohl den Trainer und seine Familiengeschichte betreffen, als auch Jaiyahs Selbstverständnis bzw. ihre Selbstzweifel als transidente Person. Regisseur Taika Waititi (Jojo Rabbit), der zusammen mit Iain Morris (Sex on the Beach) auch das Drehbuch schrieb, schafft es gekonnt zwischen diesen emotionalen Momenten und spaßigen Trainingseinheiten zu wechseln, ohne je das Gefühl zu erzeugen, dass sich beides im Weg steht. Er hat das richtige Gefühl für Timing, weil er es schafft den Film wieder aufzulockern, bevor er in Melancholie und Schwermut versinkt, wobei er die dramatischen Szenen nie der Lächerlichkeit preisgibt. Letztendlich bleibt Next Goal Wins aber ein Feel-Good-Movie, der weitestgehend der wahren Geschichte folgt. Waititi nutzt natürlich überspitzte Darstellungen, um mehr Lacher zu erzeugen und die ganze Handlung noch etwas absurder wirken zu lassen. Dadurch erhalten die Spieler aber nur noch mehr Sympathiepunkte und der eigentliche Antrieb dieser Mannschaft, rückt deutlicher in den Vordergrund.
Die Spieler spielen aus Liebe zum Spiel und nicht fürs Geld. Sie wissen um ihre limitierten Fähigkeiten und haben einfach nur Spaß. Bei einer solchen Ausgangssituation darf selbstverständlich der obligatorische Culture Clash nicht fehlen, der hier insbesondere Rongen immer wieder zur Verzweiflung bringt, etwa wenn die Mannschaft während des Trainings plötzlich zu Boden sinkt, um zu beten. Vereinzelt nimmt sich Waititi die Freiheit aus erzählerischen Gründen etwas von der wahren Geschichte abzuweichen, ohne dass es ins Gewicht fällt. Was aber neben dieser sympathischen Truppe und ihrer positiven Lebenseinstellung am meisten in Erinnerung bleibt und was der Film gerade, der doch auch so toleranten und aufgeklärten westlichen Welt vor Augen führt, ist, wie einfach es doch sein kann, Diversität zu leben. Wie selbstverständlich es doch in der samoanischen Gesellschaft ist, dass transidente Personen selbst im Sport integraler Bestandteil einer reinen Männermannschaft sein können, ohne Angst und Ausgrenzung.