Inhalt
Als seine Tochter während ihres Auslandsstudiums in Südfrankreich wegen Mordverdachts verhaftet wird, reist Bohrarbeiter Bill Baker (Matt Damon) aus Stillwater, Oklahoma, nach Marseille. Obwohl die beiden eigentlich nur wenig Kontakt haben, will er alles daransetzen, ihre Unschuld zu beweisen. So wenig nahe sich die beiden stehen, so wenig zögert der wortkarge Bill, als Allison (Abigail Breslin) vorgeworfen wird, ihre Freundin getötet zu haben. Vor Ort in Europa macht der reservierte Amerikaner es zu seiner persönlichen Aufgabe, dabei zu helfen, sie zu entlasten und aus dem Gefängnis zu holen.Doch während Allison ihre Unschuld beteuert, sieht sich Bill in der brodelnden Metropole am Mittelmeer zusehends mit Sprachbarrieren, kulturellen Unterschieden und einem komplizierten Justizsystem konfrontiert. Aufgeben ist für Bill, der mit der Zeit eine enge Beziehung zu der Französin Virginie (Camille Cottin) und deren kleiner Tochter aufbaut, keine Option. Je tiefer er allerdings in den brisanten und für Allison immer aussichtsloseren Fall verwickelt wird, desto gefährlicher wird die Situation auch für ihn selbst. Bald muss er sich entscheiden, wie weit zu gehen er auf dieser Reise bereit ist.
Kritik
Regisseur und Autor Tom McCarthy hat sich spätestens mit dem Oscarprämierten Spotlight einen Namen in Hollywood gemacht: Nicht nur Story, sondern vor allem Figuren und Brisanz waren es, die schließlich das Drama rund um Kindesmissbrauch in der Katholischen Kirche zu einem wahren Meisterwerk haben werden lassen. Doch nicht nur dies, sondern es ging auch darum Monumente einzureißen und hinter die Fassade zu blicken, auf das schmerzliche, vergessen und grausame. Natürlich auch zugunsten einer Gerechtigkeit, die aber niemals pathetisch inszeniert wurde, sondern real nüchtern. Auch Stillwater - Gegen jeden Verdacht ist einer jener Filme, die die Frage nach Gerechtigkeit etwas in den Hintergrund stellen und sich eher auf ihre Figuren und das „Wie“ konzentrieren. Auf das rohe menschliche, welches mehr als einmal Fehler offenbart und zudem mit Marseille die perfekte Kulisse gefunden hat. Stillwater ist dabei kein brachialer Justiz-Rache Film, sondern ein feinfühliges Drama, welches mehr als einmal die Zuschauer*innen sprachlos zurücklässt.
Dies liegt indes schon an der Ausgangslage des Films: Bill (grandios ruhig und emotional verschroben von Matt Damon gespielt) ist ein typischer klischeehafter Amerikaner, der mit seiner Art und seinem Denken auf eine Kultur stößt, die wiederrum selbst ein bestimmtes Bild der USA hat. Kein Wunder also, dass der Film selbst irgendwann die Frage stellt, ob Bill denn schließlich Trump gewählt hat. Doch Rassismus und ein Missverständnis von Kulturen, steht bei Stillwater gar nicht so sehr im Vordergrund, sondern liefert eher den Rahmen für eine Geschichte, die zwar ruhig, behutsam und sehr langsam erzählt wird (was leider auch zu kleineren Längen führt), dafür aber umso größeren Impact versprüht, wenn es wirklich um etwas geht. Und genau hier fügt sich Bill gekonnt in die kleine Welt von Marseille ein. Weder versteht er diese Stadt, noch kann er ein Gefühl dafür aufbringen, was die Menschen vor Ort überhaupt täglich erleben. Der Kampf um seine Tochter (Abigail Breslin) wird hier zum Stichwortgeber für viele bezeichnende Momente, die zwischen Thriller, Drama und Crime gekonnt hin- und herwechseln können.
Dies liegt vor allem an den Charakteren: Während Bill und seine Tochter Allison viele zerstörte Brücken hinter sich gelassen haben und eher eine Zweckgemeinschaft bilden, scheint für Bill mit Virginie (Camille Cottin) und ihrer Tochter das unverhoffte Glück zu warten. Eine Familie, für die er sich Zeit nehmen kann und die ihn auch angesichts seiner Vergangenheit lässt. Doch wie die Figuren selbst in Stillwater erkennen: Life is brutal. Genau hier kann Tom McCarthy mehr als nur einmal mit den Erwartungen spielen und Szenen kreieren, die definitiv im Gedächtnis bleiben. Verzweifelte Momente wechseln in liebevolle und umgekehrt. Da ist es auch nicht so schlimm, dass am Ende dem Film dann doch etwas angesichts seiner Crime-Story die Luft ausgeht und die letzte Konsequenz dann doch etwas ausbleibt. Was dafür kommt ist ein Ende, welches melancholischer und tiefer kaum sein könnte. Denn die Löcher die hier metaphorisch und auch buchstäblich von Bill geschaffen werden, werden niemals geschlossen werden können.
Fazit
"Stillwater – Gegen jeden Verdacht" ist ein behutsames, ruhiges und vor allem sehr realistisches Drama, welches vor allem mit seinem ambivalenten (Anti)-Helden überzeugen kann. Und hier liefert Matt Damon zudem eine fantastische Performance ab, die passend zu den Figuren und der Stimmung atemberaubend ist. Einzig die grobe Entschleunigung und die fehlende Kraft seiner eigentlichen Crime-Geschichte am Ende, trüben etwas dem Gesamteindruck. Was bleibt ist dennoch ein Drama, welches einen so schnell nicht loslassen wird.
Autor: Thomas Repenning