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1989, Berlin: Die Top-Agentin Lorraine Broughton hat die Order, Informationen höchster Brisanz zu besorgen. Doch die geteilte Stadt fordert von ihr das Äußerste - es geht buchstäblich ums nackte Überleben. Mit Kalkül, Sinnlichkeit und unerbittlicher Härte kommt sie Zug um Zug ihrem Ziel näher. Denn eins steht fest bei dieser tödlichen Schachpartie: Über Bauernopfer entscheidet allein die blonde Königin.
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Quelle: themoviedb.org

Kritik

Die Lunte wird entzündet...

New Orders „Blue Monday“ wummert durch die Boxen, ein Mann im Morgenmantel rennt atemlos durch die grauen, winterlichen Straßen von Berlin des Jahres 1989. Es sind diese ersten Minuten, die Hoffnung auf Großes genieren.Bereits bevor es zu dieser Szene kommt, pumpt einem der Film bereits einen Gag in Form einer Texttafel in den Sehnerv und macht dort bereits klar, wie er sich stilistisch positioniert. Tatsächlich sind die ersten zehn Minuten der Produktion in der Oberrahmstufe der Stilistik angesiedelt. Der Score, die Bilder, die Art der Texteinblendungen und einiges mehr sorgen dafür, dass der Anfang von Atomic Blonde einen unglaublich guten Flow besitzt.

Die Lunte brennt...

Das nicht alles Gold ist, was zu Beginn glänzt, dürfte bekannt sein und leider passt diese alte Weisheit leider auch zu Atomic Blonde. Nach dem fulminanten Auftakt zeigen sich schon bald erhebliche Probleme, die dem Spaß am Film immer wieder ein Bein stellen. Da wäre z.B. die Erzählweise. Die Geschichte der MI6-Agentin Lorrain Broughton wird in Rückblenden erzählt. Immer wieder springt der Film von den Geschehnissen in Berlin in ein typisches Verhörzimmer. Das ist weder spannungsförderlich noch wirklich gut miteinander montiert. Viel mehr stört es die Narration, die so nie einen wirklichen, einwandfreien Fluss kommt. Allerdings erweist sich die Story von Atomic Blonde auch als wenig ergiebig. Während die Trailer eine Actionsause ohne größere Pausen suggerieren, sieht die Realität anders aus: In den knapp zwei Stunden Laufzeit serviert einem der Film gerade einmal drei, maximal vier Actionszenen. Wer mehr erwartet, wird enttäuscht, denn das Werk ist viel mehr klassischer Spionage-Thriller - der trotz seines historischen Settings äußerst modern daherkommt -, als alles andere. Dies beinhaltet die klassischen Genre-Elemente: Attentate, Verräter, Doppelagenten, Überläufer, Spitzel und Lauschangriffe. Zumindest in der ersten Hälfte gelingt es den Machern aber damit eine Erwartung zu evozieren, dass spätestens im Finale die losen Storyknoten aufgelöst werden und das große Ganze in ein wuchtiges Aha-Erlebnis gipfelt.

Die Lunte brennt weiter...

Die eben angesprochenen Actionszenen mögen selten sein, dafür sind die ohne Wenn und Aber die Highlights des Films. Vor allem der Kampf von Lorraine in einem Treppenhaus gegen einige Widersacher überzeugt ausnahmslos. Das liegt an der exzellenten Inszenierung. Hier verbindet sich Montage, Stunt-Choreographie, Kraft und Kameraarbeit zu einem grandiosen Sehgenuss für jeden Actionfan. Regisseur David Leitch, der hier erstmals alleine Regie führte, beweist erneut, dass der ein Mann vom Fach ist, der weiß wie man eine physische Auseinandersetzung effektiv, kernig aber auch übersichtlich – ohne das ein gewisses Maß von Hektik fehlt – auf Film bannt. Dass Leitch Deadpool 2 macht, lässt darauf hoffen, dass uns beim Sequel des Anarcho-Meta-Antihelden mehr erwartet als nur ein Fest der dummen Sprüche.

Die Lunte brennt weiter ab...

Abseits von der wenigen Actionszenen, die dazu meist auch nur sehr kurz sind, bleibt Atomic Blonde als Gesamtpaket aber eher enttäuschend. Der Stil ist hier klar der angebende Ton. Problem: Das, was zu Beginn so eingängig, rhythmisch und einnehmend war, verkommt rasch zur unpassenden Politur. Ähnlich wie bei Suicide Squad gelingt es dem Thriller nie so wirklich sich aus dem eigenen Korsett zu befreien. Der Style wird irgendwann zur Pflichtveranstaltung und überzeugt dabei immer weniger, stagniert und langweilt regelrecht. So ist es ja verständlich und passend, dass 1980er Jahre Pop im Film zu hören ist, allerdings wie der Film die Lieder einsetzt wirkt regelrecht faul. Eighties? Gut, dann muss halt unbedingt 99 Luftballons zu hören sein. Ob das zur Szene passt? Diese Frage schien für die Macher irrelevant zu sein. So wirkt der Soundtrack mehr wie eine CD-Compilation Der ultimativen Chartshow oder Der Hit-Giganten auf Sat1, aber niemals wie eine gut durchdachte Musikzusammenstellung. Das können James Gunn oder Edgar Wright besser.

Die Lunte wird kürzer...

Dennoch, Atomic Blonde hat auch seine Stärken (neben der Action). Oscar-Gewinnerin Charlize Theron macht als Lorraine Broughton eine tolle Figur. Kalt, aber niemals emotionslos, berechnend, aber niemals mechanisch, mimt sich die gebürtige Südafrikanerin durch den Thriller und bekommt mit James McAvoy einen wunderbaren Konterpart zur Seite gestellt. McAvoys Performance erinnert teilweise sogar an seine fulminante Darstellung in Drecksau: Ein Prolet mit Köpfchen, der mit dazu beiträgt, dass das Berliner Setting, angesiedelt in den letzen Tagen des Kalten Krieges, trotz aller Style-Polierung authentisch wirkt. Auch in den Nebenrollen lässt sich der Film nicht lumpen. Kein Darsteller hatte beim Dreh scheinbar einen schlechten Tag, nur (die aktuell als Die Mumie in den Kinos zu sehen ist), hat – obwohl ihre Rolle durchaus wichtig ist – letztlich nicht mehr zu tun, als hübsch auszusehen und mit Theron eine keusche Lesbenszene abzuliefern, die wegen ihrer Aufmachung aber ungefähr genau so erotisch ist, wie das Liebesgeplänkel zwischen Anastasia Stelle und Christian Grey in Fifty Shades of Grey.

Am Ende von Atomic Blonde ist es dann endlich soweit. Die Lunte hat den Sprengkörper erreicht.

Als Zuschauer hofft, bangt und erwartet man einen großen Knall. Doch was einem der Film dann auftischt ist nichts weiter als ein selbstgefälliger Plot-Twist ohne Begeisterungsfaktor. Wer von diesen überrascht wird, hat wahrscheinlich noch nie einen Spionagefilm außerhalb des 007-Franchise gesehen. All die Vorbereitungen und all die Versprechungen die Atomic Blonde zuvor gemacht hat, ergeben am Ende nicht mehr als eine eher müde und mühevoll simple Auflösung. Die Lunte ist am Ende angekommen. Statt einem Knall, einem Feuerwerk oder einfach nur Päng passiert nicht mehr als eine leichten Aufglimmen. Die Lunte ist abgebrannt. Auf einen Feuerzauber wartet man vergebens.

Fazit

Gut aufgelegte Darsteller, ein toller Beginn und grandiose (wenn auch seltene und meist recht kurze) Actionszenen helfen nicht gegen eine Stilistik die sich in Stagnation und Stillstand suhlt sowie eine Geschichte, die nicht einmal halb so clever und überraschend ist, wie sie es vorgibt. „Atomic Blonde“ ist ein Blender, der seine Evozierungen leider viel zu selten einhalten kann. Insgesamt kein wirklich schlechter, aber ein enttäuschender Film.

Kritik: Sebastian Groß

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