Insgesamt sieben Jahre ist es nun her, seitdem Regisseur Alexander Payne zuletzt den Kinozuschauer mit einer hervorragenden Charakterstudie beglückte. Sideways (Insgesamt 5 Oscarnominierungen und einen Oscar für das beste Drehbuch) war hierbei in mehrfacher Hinsicht ein fantastischer Film voller Scharfsinnigkeiten, kauziger Charakterzüge sowie sympathischer Figuren, die schlussendlich eine sensible Geschichte erzählten. Schon damals offenbarte hierbei Payne sein Geschick für einen ungewöhnlichen Erzählrhythmus, der den Zuschauer bis zur letzten Minute fesselte. Nun ist Payne mit der Tragikomödie The Descendants, basierend auf den gleichnamigen Roman von Kaui Hemmings (Deutscher Titel: Mit deinen Augen), zurück und beweist erneut seine erzählerische Genauigkeit. Mit einer perfekten Inszenierung präsentiert uns Payne so das Leben von Matt King und somit eine Handlung voller Trauer, Humor sowie Menschlichkeit, die gerade durch die ausdifferenzierten Charaktere überzeugt. Was folgt ist eine warmherzige Geschichte die jederzeit passend die Gefühle auf den Kinogänger überträgt. Leid, Lachen, Schmerz, Hass, noch nie lagen diese Dinge so dicht beieinander, wobei schlussendlich jedoch trotz dramatischer Handlung auch ein positives Gefühl zurückbleibt.
Dies liegt vor allem an der punkgenauen Inszenierung von The Descendants. Jeder Dialog, jede Musik, jede Landschaft (fabelhaft fotografiert von Phedon Papamichael ) und auch jeder Wesenszug der Figuren ist bis auf die Sekunde genau getimt und ergibt so ein atmosphärisches Gesamtbild, welches einen förmlich mitreißt. Ohne dieses Geschick hätte die letztlich tieftraurige Story durchaus zur kitschigen Angelegenheit verkommen können. Doch Payne weiß nicht nur gekonnt diese Eisberge zu umfahren, sondern offenbart regelrecht mit Absicht an einigen Stellen Klischees, nur um sie danach bis ins letzte Detail auseinanderzunehmen. Wird die störrische wie aufsässige Alex volltrunken sowie pöbelnd an ihrem Internat eingeführt, ist sie im ersten Moment nur ein Schein von dem, was eigentlich schließlich hinter der sensiblen Fassade steckt. Und auch ihr Freund Sid (wahrlich gut von Nick Krause gespielt), scheint auf den ersten Blick nur ein surfender ungehobelter Sonnyboy zu sein. Regisseur Payne weiß so zu jeder Zeit mit seinen Figuren umzugehen, wodurch viele Überraschungen garantiert sind. Dies gilt auch für Matt King selbst, der nicht nur mit Immobilien-Haien sowie einer viel zu großen Familie zu kämpfen hat (die Cousins, die alle etwas vom Grundstücksverkauf wollen, sind im Film gar nicht zählbar), sondern eben auch mit distanzierten Töchtern sowie einer Frau, die ihn hintergangen hat. Der Charakter von Matt ist hierbei mit einer Menge Sympathien ausgestattet, sodass ein Mitleiden förmlich vorprogrammiert ist. So wechseln sich komische wie herzzerreißende Momente gekonnt ab, wodurch 115 Minuten perfekte Unterhaltung garantiert sind.
Besonders der spätere Trip durch Hawaii erweist sich dabei als filmisches Glanzstück. Fantastisch untermalt mit hervorragenden Bildern einer Trauminsel, entsteht so ein starker Kontrast zum eigentlichen Chaos der Familie. So wird anfangs sogar leise Sozialkritik geäußert, bevor sich The Descendants schließlich auf den Trip mit der Familie konzentriert. Was folgt ist Versöhnung sowie eine Annährung vor traumhafter Kulisse, die stets gekonnt zwischen leichtem Humor (meist durch skurrile Situationskomik) sowie eben tieftragischen Szenen wechselt. Hierbei geht Regisseur Alexander Payne auch manchmal durchaus mit dem Schlag in die Magengrube voran. Doch gerade solch starke Momente sind es, die eben die Geschichte von Matt King so faszinierend wie interessant machen. Eben ein Spiel mit der Gefühlslage, zumeist passend mit Hawaiischer Musik untermalt, das einen nicht nur fesselt, sondern auch noch lange beschäftigt.
George Clooney ist indes die Idealbesetzung für den verzweifelten Familienvater. Niemand sonst spielt gleichzeitig so harmonisch wie natürlich und wirkt dabei noch so bodenständig wie Clooney. Kein Wunder also, dass ihm die Oscarnominierung bereits sicher ist und auch die Chancen auf den Oscar selbst, keineswegs schlecht stehen. Mal gebrochen, traurig, aufbrausend, doch auch stets immer charmant. Gerade durch diese Natürlichkeit die seine Figur ausstrahlt, (un)passend in Hawaiihemd, grauen Bundfahlthosen, Sandalen sowie leicht zotteligem Haar, schafft es Clooney mit Leichtigkeit zu fesseln. Schon eine kleine Geste oder ein Blick genügt, um gerade die Gefühlslage von Matt King perfekt auf die Leinwand zu übertragen. Dennoch ist The Descendants keineswegs eine One-Man-Show wie die hervorragende Leistung von Shailene Woodley als Alex beweist. Denn die unerwartet erwachsene wie rebellische Teenagerin, wird wahrlich meisterhaft von ihr in Szene gesetzt. Anfangs noch eine Randnotiz, entwickelt sich der Charakter der Alex so schnell zum Mittelpunkt des Familienzusammenhalts, welcher schließlich auch Matt vor dem Abgrund bewahrt. Hier ist eine sensible Spielweise nötig gewesen, die eben Woodley ohne jegliche Probleme bewältigt. Doch auch die vielen Nebenrollen ergeben ein fantastisches Gesamtbild. Sei es B-Movie-Altstar Robert Forster als verbitterter wie vorwurfsvoller Schwiegervater oder Beau Bridges als charismatischer wie aalglatter Cousin gegen Ende. Somit ergibt sich eine Darstellerriege, die ohne Mühen ein wahrhaftiges Glanzstück auf die Leinwand zaubert.