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Inhalt

Der extrem schweigsame und kettenrauchende Friseur Ed Crane ist ein Mann ohne Bedürfnisse, wie es scheint, und trotzdem einigermaßen zufrieden, obwohl er vermutet, daß seine Frau Doris mit ihrem Chef, dem Kaufhausbesitzer Big Dave ein Verhältnis hat. Unschlüssig, ob er sich ändern soll, bietet ihm ein Vertreter die stille Partnerschaft in einem Geschäft für Trockenreinigungen an. Crane beschafft sich das Geld, indem er Big Dave erpreßt und steigt ein. Doch damit setzt er eine Lawine von Ereignissen in Gang, die er nicht mehr beeinflußen kann. Denn Dave wird so ruiniert und erfährt die Wahrheit, so daß Ed gezwungen ist, Dave in Notwehr zu erstechen. Doch nicht er, sondern seine Frau wird für das Verbrechen verantwortlich gemacht. Ed Cranes Höllenfahrt beginnt...
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Quelle: themoviedb.org

Kritik

Die GebrüderCoen haben in ihrer über 30-jährigen Karriere eine Vielzahl von modernen Klassikern (The Big Lebowski), genialen Genre-Variationen (No Country For Old Men) und tief-nachdenklichen Filmen (A Serious Man) abgeliefert. Neben all den Filmen mit Allstar-Cast-Besetzung und den Oscar-Gewinnern, die sie so verbuchen können, verschwindet ein Film dabei immer wieder. Meistens hat das geneigte Publikum den Film nicht einmal auf dem Schirm. Es handelt sich dabei um den Film der Stunde - The Man Who Wasn’t There -, den die Coen-Brüder mit einem Augenzwinkern als spannende Geschichte um einen Friseur, der ins Trockenwäsche-Geschäft einsteigen will bezeichnen. Wer die Coens kennt, der weiß, dass es sich dabei um gekonnte Selbstdemontage handelt. Ihr Film, der die Hutkrempe vor der Film Noir-Strömung der 40er Jahre zieht und „aktualisiert“, ist selbstverständlich mehr als das. Er ist mehr als eine ganze Welt.

Der Film eröffnet mit einer im Himmel und in der Erde verschwindende Spirale. Es ist das erste von vielen folgenden Anzeichen, anhand derer man den Film auch dem Science-Fiction-Film vergangener Tage zuordnen könnte. Die Spirale, die über dem Friseur-Salon angebracht ist, in dem Ed Crane ((nicht gespielt, nicht gemimt, sondern) verkörpert von Billy Bob Thornton mit beeindruckenden Kleinigkeiten) arbeitet, ist einem Portal nicht unähnlich. Könnte Zeichen eines magischen Landes sein, einer Reise ins Ungewisse. Ähnlich wie die Seile in Barton Fink, eröffnen die Coens auch diesen Film im Bereich des Arbeitsumfeldes der Hauptfigur. Ging es bei dem Film um einen Drehbuchautor Schrägstrich Nebensichsteher, geht es hier um einen Friseur Schrägstrich Insichverkriecher. Ed Crane behauptet von sich, nicht viel zu reden und doch ist er der Erzähler des gesamten Films. Seine Sprechrolle im Bild ist in der Tat sehr begrenzt - dennoch begleitet sein Voice-Over den Zuschauer durch den gesamten Film - von der ersten bis zur letzten Sekunde.

Ed Crane ist ein Mann vieler und reicher Gedanken, jedoch kann er sie von Anfang bis Ende nicht ordentlich in Worte verpacken und an seine Mitmenschen richten. Alle wissen das über ihn und er weiß das von sich. Das ist seiner Meinung nach einer der Gründe, weshalb seine Frau (natürlich Coen-Deern Frances McDormand) ihn nach sehr kurzer Zeit geheiratet hat. Das ist einer der Gründe, weshalb alle ihn unterschätzen. Und Crane ist zu unterschätzen, er ist eine lakonische Urgewalt, voller Weltschmerz, den er immerzu in sich hineinsaugt. Die Spirale vom Anfang, sie könnte symbolisch für Cranes Lebensweise sein, immerzu eine Lücke in seiner Mitte kreierend, immerzu sich drehend, jedoch nie die Form verändernd. Crane ist kein Teil der Welt, die ihn als Teil ansieht. Das bezeugt der Film immer wieder in herausragenden Einstellungen, wenn Crane in seiner ganzen Isolation gezeigt wird. Er steht dann beispielsweise im Türrahmen zum Badezimmer, nur als Silhouette erkennbar. Er raucht natürlich; der weiße Rauch ist das einzige an seiner Gestalt, das tatsächlich weiß ist - seine Art der stummen Kommunikation.

Ed schweigt, denkt nach, analysiert seine Möglichkeiten, begibt sich auf die Suche nach einer Strategie. Es sind die Rauchschwaden, die Schatten im Hintergrund, die zuckenden Muskeln und tiefer werdenden Falten im Gesicht, die statt seines Sprechorgans seine Geschichten erzählen. Als er eines Nachts in das Unterwäsche-Geschäft des Bosses seiner Frau geht, um jenen dort zu treffen, unterscheidet er sich in der Dunkelheit kaum von den Statuen, die auf den nächsten Tag warten, um von neuem unablässig begafft zu werden. Als er da durch die Dunkelheit schlendert, ist er schon lange zum Erpresser geworden, hat schon in aller Stille seiner Sehnsucht nach dem Besseren nachgegeben und versucht, sein Schicksal in die Hand zu nehmen und ihm die einzuschlagende Richtung zu zeigen. Ein kurzer Traum eines besseren Lebens. Eines, indem er mehr er selbst sein kann - auch wenn er selbst nicht so richtig weiß, was das eigentlich verheißen soll. Ein kurzer Traum nur, jedoch einer, der gegen den Moral-Kodex des Coen’schen Universums verstößt und deshalb selbstverständlich nicht ohne Strafe bleiben darf.

Die Coen-Brüder jonglieren in The Man Who Wasn’t There mit der Film-Noir-Strömung und variieren diese auf ungewöhnliche Weise mit Akzenten des Science-Fiction-Films. In seinem Herzen ist der Film jedoch ohne Zweifel ersterem Bereich zuzuordnen. Seien es die Protagonisten, die von ihrem dunklen Schicksal überrannt werden, nachdem sie dachten, ihm entkommen zu können. Sei es all die Gier und die Verbrechen, die für die Liebe zu einer Frau begangen werden. Sei es die sehenswerte Schwarzweiß-Fotografie von Altmeister Roger Deakins, die hier mit die schönsten SW-Bilder abliefert, die je auf Film gebannt wurden. Im Ernst, allein über die Kameraarbeit könnte man mehrere Seiten füllen. Doch wären die Coens natürlich nicht die Coens, wenn sie Genre-Regeln stumpf übernehmen würden. Natürlich ändern sie einige der klassischen Merkmale ab; so zum Beispiel den Privatdetektiv, der sonst immer die tragende Rolle im Film hatte und hier der wohl mit Abstand profilloseste Charakter im ganzen Film ist. Er taucht für zwei Szenen auf, alles was er macht, macht Crane auch, alles was er kann, kann Crane besser. Dementsprechend kritisch zieht er an seinem Glimmstengel, während er den Detektiv beschattet.

Fazit

Mit „The Man Who Wasn’t There“ ist Ethan und Joel Coen ein einzigartiger, nachdenklicher, sanfter, konsequenter und einflussreicher Film gelungen, der viel zu selten hinter den anderen großen Titeln ihrer Filmographie verschwindet. Auch hier können die Coens ihren lakonischen Humor nicht verstecken, vielleicht ist er hier gar treffender als nirgends sonst - aber denkt man das nicht bei jedem Coen-Film? Immer wieder schleichen sich hier Elemente und Symbole des Science-Fiction-Films ein. Crane bezeichnet sich selbst als einen Geist, die Coens sind eher für die Bezeichnung Alien. Er ist vor allem gefangen im Labyrinth seines Verstandes, in der nebelverhangenen Welt, auf der Suche nach dieser Art des Friedens, die die Welt ihm nicht vermitteln kann.

Kritik: Levin Günther

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