Inhalt
In einer fabelhaften Welt, streng unterteilt in Haupt-, Nebenfiguren und Outtakes, steht Paula vor der Prüfung zur Hauptfigur. Das Erzeugen emotionaler Musik gelingt der Tochter einer Nebenfigur allerdings nicht. Auf der Suche nach einer Lösung stößt sie auf Ungereimtheiten zum Tod ihres Vaters, die sie zu den verachteten, unterdrückten Outtakes führen. Paula beginnt zu zweifeln – an sich, an ihrem Platz in der Geschichte und an denen, die diese erzählen.
Kritik
“Die Mechanismen der Ausgrenzung” habe sie thematisieren wollen, sagt Sophie Linnenbaum über ihre Fantasy-Parabel, die das Konzept struktureller Diskriminierung auf filmische Parameter überträgt. Nebenfiguren wie die Protagonistin Paula (Fine Sendel, Wir Kinder vom Bahnhof Zoo) und ihre Mutter (Jule Böwe, Grand Jeté) sind als blasse Bourgeoisie gezwungen, platte Phrasen zu plappern. Hauptfiguren wie Paulas angeblich in einem ideologisch überhöhten Massaker ermordeter Vater und ihre beste Freundin Hannah (Sira Faal) sind die Oberschicht mit den großen Rollen und emotionalen Dialogen in dieser maximal metaphorischen Meta-Welt.
Deren allegorischer Einsatz filmischer Terminologie und Technik nutzt sich in indes genauso schnell ab wie die banale Botschaft, dass soziale Benachteiligung nicht nett ist. Paulas langer Weg zur Erkenntnis, dass ihre heile Filmwelt buchstäblich eine Inszenierung ist, versackt in prätentiösem Paternalismus und pädagogischer Plakativität. Dabei enthüllt die verworrene Story voll wandelnder Stereotypen durch die narrative Nivellierung von Klassismus, Rassismus, Ableismus und Queerphobie nicht nur eklatantes Unverständnis bezüglich spezifischer Diskriminierungsformen, sondern peinliche Unsensibilität.
So dienen als „Fehlbesetzung“ bezeichnete cis Männer in Frauenkleidung wie Hannahs Hausmädchen Hilde (Henning Peker, Borga) als transphober Gag innerhalb der heteronormativen Story. Deren Verzicht auf eine Sexismus-Analogie ist einer zahlreicher Hinweise auf die Privilegien der Regisseurin und Co-Drehbuchautorin, deren Leinwanddebüt die Vorurteile bedient und Schemata umsetzt, die es scheinbar anprangert. Das in einem der repetitiven Belehrungsdialoge vorgetragene Fazit, dass jede:r Hauptfigur der eigenen Handlung sein könnten, wirkt fast schon zynisch in seiner meritokratistischen Verlogenheit.
Fazit
Nicht nur in der nach Darstellerrang segregierten Filmwelt, in der Sophie Linnenbaums im doppelten Sinne kinematische Fantasy-Dystopie spielt, sind handwerklich saubere Szenen Teil einer manipulativen Maschinerie. Die vordergründigen Themen Ausgrenzung und Diskriminierung dienen der Regisseurin lediglich als Aushängeschild und Aufhänger einer immerhin visuell überzeugenden Story. Die zeigt weder Verständnis noch Interesse für ihre komplexe Materie. Stattdessen bestätigt das überzeugende Ensemble in originellen Kulissen den meritokratischen Mythos, dass alle es schaffen könnten, wenn sie nur wollen.
Autor: Lida Bach