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Inhalt

In einer Nacht des Jahres wird in den USA die komplette Straffreiheit ausgerufen: Plünderungen, Gewalt und sogar Mord sind in diesen zwölf Stunden erlaubt, damit die Bevölkerung alle Aggressionen herauslassen kann. The First Purge zeigt, wie es dazu kam, dass die Bevölkerung der USA die sogenannte Purge Night in ihre Feiertagstraditionen integrierte.

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Quelle: themoviedb.org

Kritik

Die Prämisse der Purge-Nacht ist deshalb so interessant, weil sie auf der einen Seite unwahrscheinlich erscheint, auf der anderen nur konsequent wäre, wenn man den aktuellen Zeitgeist betrachtet. Der Trend tendiert dorthin, die Sicherheit um jeden Willen zu schützen. Das geht sicherlich mit den konservativen Idealen von Eigentümern einher, die das "Geschaffte" im Leben repräsentieren sollen. Im Mittelpunkt steht Heimatschutz im Kleinen wie im Großen. So ist es zum einen das Grundstück, das Zuhause, das als Eigentum geschützt werden soll und zum anderen das Land, als Nation, das gegen äußere Einflüsse verteidigt werden soll. Aus dieser konservativen Sicherheits-Ideologie resultieren Rassismus (das Abwehren des "Fremden") wie auch Sexismus (die Frau als zu schützendes "Eigentum") und weitere Diskriminierungen (das Abwehren des "Fremden" in den "eigenen Reihe"). Das Konzept dieser Reihe schlägt demzufolge den richtigen, subversiven Ton an, wenn es ein System zeigt, das am Abgrund zu stehen scheint, und die eigene Sicherheit nur durch das kurzzeitige Aussetzen der Sicherheit zu garantieren glaubt. 

Tatsächlich ist dieses Ringen nach Sicherheit insofern paradox, dass Maßnahmen zur Bewahrung der Sicherheit zumeist der Sicherheit schaden. Lockere Waffengesetze in den USA bezwecken einen Anstieg der Mordrate, Kameraüberwachungen im öffentlichen Raum suggerieren Sicherheit, schränken die Sicherheit der Privatsphäre jedoch zu gleichermaßen ein und auch Polizeigewalt ist in den letzten Jahren ein wichtiges Thema. Das wird an jedem Purge-Film deutlich, wenn wir den Kontrast zwischen pathetisch vorgetragener Lobgesänge auf die Politik und der harten Gewalt während der Purge-Nacht wahrnehmen. Interessant ist, dass sich die Filme nicht zu doppeln scheinen, sondern bemüht sind, in jedem Film eine andere Facette dieses politischen Konzepts in den Vordergrund zu rücken. In The First Purge werden mehrere Motive vorgestellt: Zum einen soll es um Rassismus gehen, um die Unterdrückung von Afroamerikanern im Speziellen. In diesem Zusammenhang soll der  Kontrast zwischen "arm" und "reich" eine Rolle spielen.  Und auch der Mensch soll im Folgenden in seinem Naturzustand erörtert werden. Dieses erste Drittel verspricht Großes, weil es die richtigen Bilder findet, um die genannten Motive innerhalb der Exposition einzuführen. 

Das erste und scheinbar relevanteste Motiv stellt der Rassismus dar. The First Purge bedient sich einer Strategie, der sich vieler Hollywood-Filme bedienen: Es wird eine gewisse Minderheit primär besetzt und dazu werden ein paar Sätze über die Diskriminierung eben dieser Minderheit geäußert. Und die Kritiker machen da gerne mit: Ghostbuster war schließlich auch ein ganz toller und vor allem feministischer Film. Nicht. Hier sehen wir Afroamerikaner, die von dem Staat nicht ernst genommen werden, die täglich unter Rassismus zu leiden haben. Interessant ist, und da hätte der Film unheimlich großes Potential gehabt, dass er diesen mit den Staat in Verbindung bringt. So ist es der institutionelle Rassismus, der sich am Problematischsten auf den Alltag ausübt. Sicherlich gibt es auch intentionalen Rassismus, der bewusst von einer Gruppe von Menschen ausgeübt wird und der ebenso schwerwiegende Konsequenzen mit sich ziehen kann, aber der institutionelle Rassismus, der zwar nicht intentional gewollt, doch in Gesetz und Struktur vorhanden ist,  ist omnipräsent. 

Doch leider gelingt dem Film der subversive Schritt nicht, das System an sich als rassistisch zu begreifen. Stattdessen bedarf es eines "Bösewichtes", der finanziell weniger wohlhabende Personen und Afroamerikaner wie Bauern in einem Schachspiel zu opfern scheint. Damit passt The First Purge wunderbar in einen Zeitgeist, der Donald Trump und die AfD als Ursache für die Probleme zu identifizieren glaubt. Dabei sind beide nicht nur widerlich in ihrer Haltung, sondern ebenso banal in ihrer politischen Innovation. Rassismus, der bei beiden vorhanden ist, resultiert aus der Struktur. In diesem Sinne sind beide keine politischen Visionäre, sondern ideologisch verblendet und deshalb gefährlich, weil sie zur weiteren Verblendung der Bevölkerung beitragen. In der allgemeinen Rezeption werden Trump und die AfD jedoch als Ursprung des Rassismus begriffen, die ihn praktisch wieder auf erleben lassen. Dabei war er niemals wirklich weg.

The First Purge begreift währenddessen sehr richtig die Relevanz der finanziellen Spaltung zwischen "arm" und "reich". Es ist eine Stärke der gesamten Reihe, zu zeigen, dass Sicherheit, Gesundheit und Lebensqualität in heutigen Systemen Luxusgüter sind. An der Prämisse der Purge-Nacht lässt sich dieses wohl wichtigste Problem westlicher Gesellschaften am Radikalsten zeigen: Je reicher man ist, desto bessere Überlebenschancen hat man. Diese Perversion spinnt der neueste Vertreter noch weiter und desintegriert die Wohlhabenden. Finanziell weniger wohlhabende Personen dienen als Versuchsobjekte für eine gesamte Gesellschaft. Ihr Leben wird im System unter das Leben anderer gestellt. Für die Teilnahme an der Purge-Nacht erhalten sie finanzielle Entschädigungen, auf die sie angewiesen sind. Hier zeigt der Film wunderbar, dass wir eben nicht in einer freien Gesellschaft leben, sondern in einer, die möglichst frei wirken will,  nämlich für jene, die das nötige Kleingeld haben. 

Die Ausarbeitung des Menschenbildes fällt währenddessen sehr dürftig aus. Der Film kann sich nicht recht entscheiden, ob er den Menschen im kontraktualistischen Geiste darstellen möchte und somit für die Existenz des Rechtsstaates zu plädieren, oder ob er den Menschen als von Natur aus moralisches Wesen darstellen möchte, das es auch außerhalb der rechtmäßigen Ordnung versteht, ein Zusammenleben zu konstituieren. In diesem Zusammenhang kann weder ein überzeugend subversiver Gedanke gefasst werden (Brauchen wir einen Rechtsstaat?), noch ein konservatives  bzw. traditionelles Plädoyer (Wir brauchen den Rechtsstaat!) geäußert werden. Generell bleibt unklar, worauf dieser Film hinaus möchte: Er kann sich nicht zwischen subversiver System-Kritik, stylischem Psycho-Thriller und brutalen Straßenschlachten entscheiden. Es gelingt ihm auch nicht, alles unter einem Hut zu bringen, wodurch er weder als Gesamtkonzept zu funktionieren weiß, noch einen dieser Aspekte befriedigend auszufüllen versteht.

Fazit

"The First Purge" weiß nicht, was er will, weshalb er an der Stelle weilt. Trotz interessanter Ansätze gelingt es ihm nicht, das Konzept der Purge-Nacht gelungen auszuarbeiten, noch einen umfassenden Diskurs zu sozialen Fragen, Rassismus-Kritik und Menschenbildern zu führen. 

Kritik: Maximilian Knade

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