Trotz aller Unkenrufe war Venom (2018) ein kommerzieller Triumph. Mit einem weltweiten Einspielergebnis von über 850 Millionen US-Dollar markierte er für Sony den Beginn ihres eigenen Spider-Man-Universums (SSU), ungeachtet der wohl eher gedämpften Begeisterung der Marvel Studios. Sechs Jahre später ist klar: Wirtschaftlich mag es für das Projekt oftmals gut gelaufen sein, künstlerisch stand das Franchise jedoch von Anfang an auf verlorenem Posten. Während der erste Venom-Film als Blockbuster noch akzeptabel erschien, stürzte die Qualität beim direkten Nachfolger, Venom: Let There Be Carnage, und anderen SSU-Titeln rapide ab. Morbius war ein Witz – und zwar kein guter. Und mit Madame Web sollte selbst den letzten Optimisten klar geworden sein, dass dieses Universum längst in gehörige Schieflage geraten ist.
Der dritte Venom, der mit dem Untertitel The Last Dance schon unheilvoll auf eine ausgeleierte Dramaturgie verweist, bringt ebenfalls keine Besserung. Obwohl es wünschenswert wäre, ist Kelly Marcels Regiedebüt, die seit dem ersten Teil als Autorin mitwirkte, weit davon entfernt, dem SSU endlich Glanz und wahre Gloria zu verleihen. Vielmehr wirkt der Film wie ein rostiger Nagel – einer der letzten, der in den Sarg des SSU geschlagen wird, bevor Ende 2024 Kraven the Hunter erscheint. Vielleicht gelingt es dann endlich, etwas abzuliefern, das nicht so unverhohlen misslungen wirkt wie Venom: The Last Dance.
Es gibt so vieles, was in diesem Film nicht funktioniert, sodass das Positive schnell abgehandelt ist: Tom Hardy agiert einmal mehr mit sichtlich großer Freude am exaltierten Schauspiel und verzichtet auf jedwede Nuancen. Das mag gelegentlich ermüdend wirken, besitzt aber durchaus einen gewissen Unterhaltungswert. Auch das Zusammenspiel mit dem titelgebenden Symbionten bleibt wie in den Vorgängern nett und, so Gott und das Box Office will, hoffentlich das letzte Mal, dass wir es sehen müssen. Die Effekte sind ansehnlich, das Tempo bleibt straff, und die Filme der Reihe waren noch nie für ihre Langatmigkeit bekannt.
Doch genug des pflichtbewussten Lobs. Die Erzählweise von The Last Dance ist schlichtweg desaströs. Der Film schleppt eine Unzahl von Figuren mit sich, von denen nie wirklich klar ist, welche davon wichtig sind oder es jemals werden könnten. Dies führt dazu, dass die Handlung sprunghaft von einer Szene zur nächsten wechselt, ohne dabei je eine kohärente Geschichte zu formen. Ein Beispiel für die beliebige Inszenierung ist die Hippie-Familie um Martin und Nova Moon (Rhys Ifans und Alanna Ubach), die zwar knuddelig erscheint, aber keinerlei Relevanz für den Plot besitzt – genau wie viele andere Füllsel, die das Drehbuch zu einer substanzlosen Ansammlung von Aufplusterungen machen. Hätte man sich auf weniger Figuren konzentriert und dafür auf ein fokussiertes Road-Movie mit Eddie Brock und seiner schrulligen Begleitergruppe gesetzt, hätte daraus womöglich etwas Charmevolles entstehen können. Stattdessen ertrinkt der Film in Überflüssigkeiten.
Venom: The Last Dance ist ein Vakuum von einem Film, in dem sämtliche Ideen sich in Luft auflösen. Der strenge General, die traumatisierte Wissenschaftlerin oder der große Schurke Knull (Klopapierfrage: Falten und knullen?) werden eingeführt, nur um dann in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden. Besonders bitter ist, dass talentierte Schauspieler wie Juno Temple, Stephen Graham und Chiwetel Ejiofor hier regelrecht dem banalen Drehbuch geopfert werden – ein absolutes Trauerspiel. Es ist schwer vorstellbar, dass sie an diesem Projekt durch irgendetwas anderes als einen großzügigen Scheck zur Teilnahme motiviert worden sein könnten – am allerwenigsten durch das Drehbuch, an dem auch Tom Hardy mitgewirkt hat.
Die Geschichte selbst ist nicht einfach nur plump, sondern schlittert vielmehr in die Abgründe des erzählerischen Unvermögens. Fehler schleichen sich nicht etwa ein, sie trampeln ungeniert über den Film hinweg. Ein Beispiel: Die jüngste Bedrohung für den Symbionten und seinen Hardy-Wirt erscheint in Form eines gigantischen Monsters, welchjes Venom unmittelbar aufspürt, sobald er sich aus seinem menschlichen Gehege vollständig hinausbewegt. Der Antagonist wird mit großem Nachdruck als gefährlich etabliert, und selbst der sonst so großspurige Venom zeigt wenig Neigung, sich einer Konfrontationen zu stellen. Doch nur wenige Szenen später tritt der schwarze, gallertartige Koloss unvermittelt in Erscheinung, um sich in einem absurd deplatzierten Tanz mit seiner früheren Nachbarin zu wiegen. Eine tiefere narrative Begründung mag existieren, doch der Film bleibt diese schuldig. Solche inkohärenten Momente durchziehen die gesamte Handlung und sind umso bedauerlicher, da die Tanzszene an sich eine überraschend liebenswerte Note hätte, wenn sie nicht völlig aus dem Kontext fiele.
Eine wirkliche Dringlichkeit vermag der Film auch nie aufzubauen, weder im Hinblick auf die außerirdische Bedrohung noch auf emotionale Konflikte. So wie Eddies innerer Kampf, der dadurch entsteht, dass er sich auch mal ohne seinen Symbionten zur Wehr setzen muss - was ihm jemanden der eigentlich nur ein Journalist ist erstaunlich gut gelingt. Doch diese Fallhöhen werden immer nur kurz angedeutet, um nach wenigen Sekunden wieder fallengelassen zu werden. Diese defekte Mechanik, Dinge groß anzuteasern und dann blitzartig abzuhaken, ist The Last Dance's unangefochtene Königsdisziplin. Hätte es dafür eine olympische Disziplin gegeben, die Sony-Produktion dürfte sich mit Goldmedaillen schmücken. Doch die Konsequenz dieser Erzählweise ist, dass vieles aufgrund der schieren Masse an Handlungsfäden völlig untergeht.
Sonys Spider-Man-Universum ist inzwischen zum Sinnbild der ausgehöhlten Franchise-Verwurstung geworden, und Venom: The Last Dance setzt diesen erbärmlichen Standard konsequent fort. Selbst für eingefleischte Blockbuster-Enthusiasten bleibt nichts als der schwache Trost einer nebulösen Hoffnung auf einen besseren nächsten Film – eine Hoffnung, die in Anbetracht des hier dargebotenen Elends mehr als zynisch wirkt. Doch selbst Werke wie Morbius oder Madame Web fanden noch einen Kreis unerschütterlicher Anhänger. Das wirft die Frage auf, wie es ein derart künstlerisch lebloses Werk überhaupt vermag, Freude zu bereiten. Bei den genannten Titeln sowie The Last Dance könnte es sich fast um eine Form des cineastischen Masochismus handeln – oder schlicht um die Ignoranz gegenüber der Tatsache, dass Content und Kunst zwei grundlegend verschiedene Dinge sind.