Inhalt
Eine Woche lang haben zwei Agenten in geheimer Mission Zeit, um Dr. Loveless zu finden und zu fangen, der einen Anschlag auf den Präsidenten der Vereinigten Staaten plant, weil er mit dem Ausgang des Bürgerkrieges nicht einverstanden ist. So machen sich also die beiden Bond-Vorgänger auf die Suche nach dem bösesten aller Bösen …
Kritik
Mit Men in Black lieferte Regisseur Barry Sonnenfeld (Ein Concierge zum Verlieben) einen der erfolgreichsten Sommerblockbuster der 1990er Jahre ab. Seine von liebevollen Zitaten geschwängerte Mischung aus Buddy-Komödie und Sci-Fi-Actioner ergab ein temporeiches, noch heute funktionierendes Stück Unterhaltungskino wie es im Buche steht. Nur zwei Jahre nach dem ersten Auftritt der Männer in Schwarz aber sollte Sonnenfeld postwendend all die Reputation wieder verspielen, die er sich zuvor noch aufbauen konnte: Die starbesetzte Western-Parodie Wild Wild West kam in die Kinos, eine filmische Umsetzung der beliebten Fernsehserie Verrückter wilder Westen aus den 1960er Jahren. Mit Mühe und Not gelang es dem kommerziellen Katastrophalflop, sein üppiges Budget von 170 Millionen US-Dollar weltweit wieder einzuspielen, während die internationale Presse den Film fast einstimmig in der Luft verriss.
Dabei muss man nun, zwanzig Jahre nach dem Erscheinen von Wild West West, wenigstens eine (kleine) Lanze für den Film brechen: Auch wenn Barry Sonnenfeld sich hier künstlerisch merklich verhoben hat, stecken in diesem unentwegt überschäumenden Abenteuer durchaus faszinierende Ansätze, die in der richtigen Umsetzung eine sagenhafte Leinwandgaudi hätten ermöglichen können. Das Drehbuch, an dem ganze sechs (!) Autoren herumgedoktert haben, hat letztlich nichts mehr mit dem klassisch-geschmeidigen Erzählkino zu tun und verkommt immer offensichtlicher zu einem bunt-überladenen Flickenteppich an Ideen und Einfällen. Es formuliert aber auch eine ungeheure Fabulierlust dahingehend, die amerikanische Geschichte neu zu entdecken: Angesiedelt in den Vereinigten Staaten des Jahre 1869, mag der Sezessionskrieg zwar seit einigen Jahren zu Ende sein, seine Folgen aber sind immer noch allgegenwärtig. Im Rassismus, im Hochmut, im Gerechtigkeitssinn.
Während der schießwütige und verwegene James West (Will Smith, Independece Day) zum afroamerikanischen Kriegshelden aufsteigen konnte und inzwischen als Captain der U.S. Army nicht nur Verbrechern nachspürt, sondern auch Frauenherzen im Sturm erobert, ist Artemus Gordon (Kevin Kline, Ein Fisch namens Wanda) ein Technik-vernarrter Taktikter, der sich als U.S. Marshal auf Geheiß von Präsident Ulysses S. Grant (ebenfalls Kevin Kline) mit West zusammentun muss, um die Freiheit der Vereinigten Staaten zu wahren. Ein ungleiches Duo also, welches sich dazu genötigt wird, gemeinsame Sache zu machen – Men in Black lässt schön grüßen. Nur müssen sich West und Gordon hier nicht auf die Spur außerirdischer Invasoren machen, sondern Dr. Arliss Loveless (Süffisant: Kenneth Branagh, Frankenstein) überführen, der mit eine mechanischen Riesentarantel das Land und seine Bevölkerung dem Erdboden gleichmachen möchte.
Es ist schon durchaus sympathisch, wie atemlos Barry Sonnenfeld sich einmal quer durch die Populärkultur zitiert und den großen Vorbildern und Einflüssen von Wild Wild West – Ian Fleming, Jules Verne und Mel Brooks – im Zuge einer spektakulären, aber wenig eleganten Hetzjagd durch den Wilden Westen die Ehre erweist. Der enorme Produktionsaufwand reibt sich dem Zuschauer dabei in jeder Minute gnadenlos unter die Nase, Kulissen, Ausstattung, Effekte, Gadgets – Barry Sonnenfeld wollte nicht kleckern, sondern klotzen. In seinem ständigen Bewegungsdrang, seinem sich zu penetrant am Slapstickhaften weidenden Hang, die Kunst der Kostümierung und die Macht der Technik fortwährend auszustellen, stolpert Wild Wild West aber mehr und mehr über seine eigenn Beine, reduziert die Hauptdarsteller auf überstilisierte Knallchargen ohne Eigendynamik und wirkt zusehends inkohärent und ermüdend in seiner überspannten Schauwertmanie.
Fazit
Ein reinrassiges Debakel ist "Wild Wild West" nicht geworden, auch wenn Barry Sonnenfeld sich hier künstlerisch merklich verhoben hat. Die Charaktere harmonieren nicht wirklich, das Drehbuch gleicht inhaltlich Stückwerk, aber die Liebe zum Medium Film ist der Western-Sause immerzu anzumerken. Irgendwo zwischen James Bond, Jules Verne und Mel Brooks lässt Barry Sonnenfeld die Korken knallen und schießt, nicht immer positiv, über das Ziel hinaus. Die zitierfreudige Fabulierlust, die der "Men in Black"-Regisseur dabei versprüht, aber steckt immerhin partiell an. Auch, weil die musikalische Untermalung von Elmer Bernstein konzentriertes Western-Feeling heraufbeschwört. Kein guter Blockbuster, aber sicherlich nicht der Niedergang das hochbudgetierten Unterhaltungskinos. Immer sachlich bleiben.
Autor: Pascal Reis