Bildnachweis: © One Media| Szene aus "Pig"

Der große Jahresrückblick der MB-Redaktion 2021

von Sebastian Stumbek

DIE TOP 10 FILME 2021

1. Bo Burnham: Inside
Von den einen als grauenhafte Selbstdarstellung geächtet, von den anderen als tief intimies Künstlerporträt gefeiert. Ich kann die Kritik an Burnhams nicht enden wollender Selbstüberhöhung- und geißelung verstehen - nichts hat mich 2021 aber mehr berührt als sein Netflixspecial Inside. Ein gleichermaßer tief persönlicher, wie globaler Lob- und Abgesang auf die emotionale Widersprüchlichkeit des Menschen. All Eyez on me.

2. Nomadland
In all seiner Melancholie und Trauer ein wunderbar hoffnungsvolles Drama, das das Gute im Menschen trotz aller Widrigkeiten feiert und damit auch seine semi-fiktionale Darstellung legitimiert. Passend dazu war Nomadland mein erster Kinofilm 2021. How I missed you.

3. Helden der Wahrscheinlichkeit
Es ist nicht schwer erkennbar, dass meine Filmhighlights 2021 einem thematischen Muster folgen. Auch der neue Film von Anders Thomas Jensen lebt von Trauer, Überwindung und geteiltem Mitgefühl. Waren Jensens andere Filme schon stets Paradebeispiele der feinen Linie zwischen Komödie und Tragödie, schafft der Däne es in Helden der Wahrscheinlichkeit diese Symbiose zu perfektionieren. Auch die groteske Maske eignet sich dafür, Trauer komplex zu ergründen. Danke, Anders. 

4. Pig
Trotz seiner tieftraurigen Atmosphäre löst dieser Film fast jede Konfrontation mit purer Empathie. Ein Film, der die Menschlichkeit im Angesicht der puren Verzweiflung feiert und Hoffnung in den Mittelpunkt jeder Aussichtslosigkeit stellt. Ach, und Nicholas Cage ist der Hammer - ganz ohne Gebrüll. Davon kann man was lernen. 

5. Ich bin dein Mensch
Maria Schrader
schafft es in Ich bin dein Mensch schon fast leichtfüßig eine Geschichte von Sehnsucht, Abhängigkeit und Liebe zu inszenieren, diese stets humoristisch und charmant zu verpacken und gleichzeitig den doppelten Boden der Prämisse nie außer acht zu lassen. So eine tief realistische Gradwanderung zwischen Zynismus und Romantik - und der Botschaft, dass sich beides nicht ausschließen muss - sieht man sehr selten.

6. The Green Knight
Wenn anspruchsvoller Eskapismus 2021 einen Titel trägt, dann The Green KnightEin Mix aus verspielter Ritterromantik und tief kontemplativer Identitätssuche. Ein Film über verklärte Ideale , der seiner Vorlage gekonnt den moralischen Kopf abschlägt.

7. Possessor
Und der Preis für den coolsten Filmtitel 2021 geht an .
.. Aber auch abseits seines fetzigen Titels, überzeugt Possessor als kluges Gedankenspiel zwischen sensorischem Arthouseflash und ultrabrutalem Ferstivalhit. Den Preis für das coolste Filmposter bekommt das Ding übrigens auch. 

8. The Last Duel
Wirklich spannendes Perspektivenspiel, dessen Hauptattraktionen weder die brutalen Schlacht- und Kampfsequenzen sind, sondern die Details der eigenen Wahrnehmung. Tatsächlich eröffnet The Last Duel einen moralischen Diskurs über Egoismus und scheinheilige Ideale, dessen deutliche Botschaft sich sich in vielerlei Hinsicht auf die heutige Welt beziehen lässt, ohne diese gesellschaftliche Brisanz zum einzigen Fokus der Geschichte zu machen. Könnte das alles komplexer sein? Vermutlich schon. Dennoch zeigt sich Ridley Scott hier so dreidimensional wie lange nicht mehr - und circa hundert Mal so dreidimensional wie in House of Gucci

9. Eternals
Danke, Chloé, dass du es im Wust der Marvelisierung von Indie-Filmschaffenden dennoch vollbracht hast, deinen eigenen Stil ins MCU zu integrieren. Und siehe da, Eternals lebt von einem inhaltlichen wie optischen Pathos, den das MCU in meinen Augen dringend benötigt hat. 

10. Zack Snyder's Justice League
Ja, es gab 2021 in meinen Augen noch bessere Filme als Zack Snyder's Version von Jusice League (siehe Honorable Mentions). Aber dieser 4-Stündige, grenzenlose Superheldenerguss (anders kann man es wirklich nicht nennen) ist wohl eine der positivsten Überraschungen der letzten Jahre für mich. Hier wirft Snyder wirklich alles auf die Leinwand - seinen Ehrgeiz, seine Leidenschaft und letztlich auch sein Herz. Chapeau. 

Honorable Mentions: Pieces of a Woman, The Father, Der Rausch

DIE 5 ENTTÄUSCHENDSTEN FILME 2021

1. Conjuring 3 - Im Bann des Teufels 




2. Saw: Spiral
Wer darauf aus ist, Samuel L. Jackson in einem Saw-Film Motherfucker brüllen zu sehen, kommt hier auf ihre oder seine Kosten. Sonst niemand. 

3. Venom: Let there be Carnage
Der erste Film, der zu 100% für seine Post-Credit-Sequenz gedreht wurde. Willkommen in der Zukunft des Filmemachens. 

4. Free Guy
Wusstet ihr, dass Free Guy eine originale Idee ist und auf keiner Vorlage basiert? Wusstet ihr, dass der Film kein Sequel ist? Nein? Kein Problem, der Film selbst wiederholt es ungefähr dreihundertachtundvierzig Mal. Vollkommen uninspiriert ist er trotzdem. Sequel ahoi. 

5. The French Dispatch
Der Inbegriff von "zu-viel-des-Guten." Stop, Wes, staaaaaahhhhp. 

Dishonorable Mentions: The Tomorrow War, Mortal Kombat, Red Notice


10 MOST WANTED FILME 2022

Licorice Pizza
The Northman
Spencer
The Batman
Thor: Love and Thunder
Nope
Into the Spiderverse 2
Red Rocket
The Tragedy of Macbeth
The Unbearable Weight auf Massive Talent


MEIN SERIENJAHR 2021

Filme sind für mich immer noch die besseren Serien. Aber so langsam tun sich in diesem Eindruck Risse auf. Es ist die Zeit, die mich oft davon abhält, mich an Serien heranzutasten und dranzubleiben - diese Zeit investiere ich lieber in Filme. Aber gerade mit der Diskussion im Rücken, die gerade über Matrix Resurrections stattfindet - "der Film spuckt den Fans ins Gesicht" hieß es da von einer Fanseite - und die Lobgesänge, die auf Spider-Man: No Way Home gesungen werden - "der besteste Film, den es jemals überall gab" - komme ich dazu, Serien mehr schätzen zu lernen. Vor allem aufgrund der Fanlager. Viel weniger wird bei Serien zwischen Schwarz und Weiß diskutiert, viel weniger "Fans" sind entweder begeistert oder angewidert (dazwischen gibt's nichts mehr).  Die meisten Leute können Serien einfach noch genießen, ohne wütend zu werden.

Und daher hatte ich dieses Jahr viele schöne Serienmomente: Midnight Mass durfte zeigen, dass Serien manchmal auch einfach lange, hervorragende Filme sein können, Squid Game durfte trotz des Hypes und der schwachen letzten Episoden einen frischeren Wind in den Serienmainstream hereintragen und Ted Lasso zog mich mit seinem unbrechbaren Optimismus in den Bann. Selbst die Marvelserien WandaVision und The Falcon and the Winter Soldier durften das MCU etwas mehr auf den Boden der Tatsachen zurückholen. Nur bei Loki schoss Disney weit über's Ziel hinaus. 

Was bleibt ist der Eindruck, dass ich mich 2022 vielleicht an mehr Serien wagen werde und Filme vielleicht hier und da etwas den Rückzug antreten müssen. Etwas! Einfach, um mal etwas Ruhe vom kräftezehrenden Fandiskurs zu bekommen. Obwohl, wenn man dann wieder auf Cowboy Bebop blickt, bei der sich die Macher sichtlich Mühe gegeben haben .... naja, whatever.


Die Thomas-Awards gehen dieses Jahr an: 

Beste Schwimmnudelszene des Jahres
: Old - direkt nachdem ein Mensch gestorben ist. 

Geheimtipp des Jahres: Beyond the Infinite two Minutes  - anschauen und Spaß haben! 

Beste Filmszenen des Jahres: Ein Tanz zwischen Vergangenheit und Gegenwart in Last Night in Soho, ein Kopf fällt von den Schultern in The Green Knight, "Wie lange wartest du hier schon?" in Ich bin dein Mensch und zwei hochemotionale Dinner in Pig

Bester Mads des Jahres: Oh, was für ein Mads-Jahr. Sowohl als unsicherer, introvertierter Lehrer in Der Rausch als auch als unsicherer, introverirter und zur Gewalt neigender Soldat in Helden der Wahrscheinlichkeit eine Wucht. Aber der beste Mads des Jahres geht an den Mads aus dem Trailer zu Phantastische Tierwesen: Dumbledores Geheimnisse. Einfach, weil es dort sonst nichts gibt, das auch nur ansatzweise interessant aussieht.


FAZIT:

Times are changing and I'm getting old. 


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