Inhalt
Rechtsmediziner Paul Herzfeld findet bei einer Autopsie im Kopf einer Leiche einen Zettel. Die Telefonnummer darauf führt ihn in ein perfides Spiel um Leben und Tod. Dem Leben und Tod seiner Tochter. Der Spur aus Leichen folgend ist er gezwungen die junge Comiczeichnerin Linda um Hilfe zu bitten. Denn der nächste Hinweis findet sich nicht in seiner Heimatstadt Berlin, sondern auf der von einem Sturm von der Außenwelt abgeschnittenen Insel Helgoland. Von Herzfelds verzweifeltem Bitten getrieben, macht sich Linda zusammen mit dem Hausmeister Ender Müller im verlassenen Keller der Inselklinik an die erste Autopsie ihres Lebens. Doch nicht nur die Autopsie ist mehr als nervenzerreißend. Auch der Entführer und Killer scheint sich auf der fast menschenleeren Insel zu befinden und zugleich Herzfeld auf dem Festland in Schach zu halten. Der lässt sich von seinem eingebildeten, neureichen Praktikanten Ingolf Richtung Helgoland fahren. Hinweis für Hinweis kommen sie der Lösung des Rätsels auf die Spur und scheinen in dem perfekt geplanten, von Hass getriebenen Racheplan doch dazu verdammt, Herzfelds Tochter nicht mehr rechtzeitig befreien zu können.
Kritik
Die Zoll- und Umsatzsteuerfreiheit von Helgolands lockt nicht nur Touristen auf die kleine Insel in der Nordsee, sondern im Thriller Abgeschnitten auch einen Serienkiller. Mit Zigaretten und Alkohol deckt sich dieser aber nicht ein. Warum auch? Er hat besseres zu tun. Er will sich am Rechtsmediziner Paul Herzfeld rächen und dafür hat er nicht nur dessen Tochter entführt, sondern auch noch Herzfeld via Kapsel, im Kopf einer stark lädierten Leiche verborgen, eine entsprechende Botschaft geschickt. Jetzt muss der Mediziner natürlich in aller Eile auf die Insel. Blöd nur, dass gerade der Sturm des Jahrhunderts über Deutschland wütet. Aber zum Glück gibt es ja den vermögenden Praktikanten, der für ein gutes Zeugnis mit dem dicken Benz von Berlin nach Helgoland aufbricht.
Wäre nur dass die Handlung von Abgeschnitten, es wäre alles narrativ noch ganz okay, aber die Verfilmungen des Romans von Bestseller-Autor Sebastian Fitzek und Rechtsmediziner Michael Tsokos, die beide im Film einen Cameo absolvieren, schmettert noch mehr konstruierte Story und Figuren auf die Inhaltswaage. Die ächzt schon nach wenigen Minuten nach dem Gnadenschuss, aber das hier ist ja ein richtig harter Thriller, also wird kein Erbarmen gezeigt.
Nach Gnade und Erbarmen schreit man innerlich spätestens nach dem ersten Akt von Abgeschnitten, wenn nicht mehr zu verschweigen ist, dass dieser Film eine absolute Vollkatastrophe ist. Hier stimmt wirklich gar nichts. Die Figuren sind trotz immenser Background-Überlastung uninteressant, die Optik erinnert an einen Fernsehspielfilm bei dem die Sendeabwicklung die Graustufen nach oben geschraubt hat, die Geschichte ist voller billiger, zwanghaft auf kompliziert getrimmter Wendungen und wenn die Darsteller ihre oftmals zum Fremdschämen einladenden Dialoge vortragen, hört man das Script regelrecht knistern.
Dazu kommen noch die Obduktionsszenen. Immer wieder muss Herzfeld oder seine unfreiwillige Assistentin Linda tote Körper mit allerlei scharfen und stumpfen Gegenständen traktieren, damit die krude Geschichte ein weiteres dummes Puzzlestück preisgibt. Da werden freigelegte Knochen, Muskeln und Organe ohne Kenntnisse von Subtilität ins Zentrum der Leinwand gezerrt. Diese teilweise in unsägliche Längen gedehnten Szenen wirken immer so, als ob die Macher mit einem sabbernden Lächeln nur darauf warten, dass das Publikum zusammen zuckt. Ganz sicherlich werden schwache Mägen das auch tun, aber Abgeschnitten nutzt diese infantilen Ekelspitzen tatsächlich als Mittel zur Spannungserzeugung.
Funktionieren tut das niemals. Dafür ist das drumherum einfach zu blöde. Die Macher schaffen es nämlich nicht ihre billigen Tricks zur Erzeugung von Zuschauerreaktionen so zu verpacken, dass es nicht wie ein Schrei nach Aufmerksamkeit wirkt. Wenn eine der Figuren also mal wieder in einer Leiche herum popelt, dann ist hinter dem Projektor des Kinos fast schon ein kindliches Lachen zu hören. Das sind die Macher, die sich königlich darüber amüsieren, dass sie mit solch einem unsinnigen wie ärgerlichem Vakuum durchgekommen sind bei der deutschen Filmförderung, die diesen spannungsfreien Mist mitfinanziert haben.
Aber okay, die Besetzung an sich liest sich vielversprechend. Lars Eidinger (Die Wolken von Sils Maria) kann überzeugen, wenn er will. Hier spielt er aber so übertrieben und frei von jeglicher Kontrolle, dass man glauben könnte, die Wurst, die er sich einst auf einer Theaterbühne in den After schob, hat sich mittlerweile zur Großhirnrinde hochgearbeitet. Jasna Fritzi Bauer (Axolotl Overkill), ebenfalls eine Schauspielerin des Theaters, darf als toughe Comiczeichnerin auftreten und liefert eine wenig überzeugende Lisbeth-Salander-Kopie ab. Dazu gehört übrigens auch, dass scheinbar die Hälfte aller Männer die ihr begegnen entweder geisteskranke Mörder und Vergewaltiger sind. Ein Kommentar gegen Misogynie? Mit nichten. Abgeschnitten wirkt mehr, wie ein Film, der ganz einfach Menschen allgemein nicht leiden kann.
Dann hätten wir noch Hauptdarsteller Moritz Bleibtreu, der sich mit Rehaugen durch den Film manövriert, sodass sich fast schon Mitleid einstellen könnte. Verständlich. Mit seiner Beteiligung an Stereo, Nur Gott kann mich richten oder Familiye gehört er zur Speerspitze eines frischen, deutschen Kinos. Ob er, dass auch in Abgeschnitten gesehen hat oder ob es vielleicht doch nur die Gage war? Das ist eigentlich unerheblich. Seine Performance gleicht sich der Qualität des Scripts an und wie 'gut' dieses ist, wurde ja bereits deutlich gemacht.
Inszeniert wurde dieses Desaster von Film übrigens von Christian Alvart. Der versucht seit vielen Jahren mit Genrefilmen zu überzeugen und man muss ihm hoch anrechnen, dass er neben Die vierte Macht-Regisseur Dennis Gansel einer der wenigen Filmemacher ist, der sich wirklich darum bemüht das deutsche Kino vielseitiger und offener für Action, Thriller und Horror zu machen. So wirklich überzeugen konnte seine cineastischen Genre-Impulse aber nicht. Sein Ausflug nach Hollywood brachte uns zwar den stark unterschätzten Pandorum, danach folgten aber Tschiller-Tatorte, inklusive des Kinofilms Tschiller: Off Duty. Genau wie dieser leidet auch Abgeschnitten an seiner Laufzeit. Mit über zwei Stunden erweist sich die Fitzek-Verfilmung als mindestens 30 Minuten zu lang.
Gibt es wirklich nichts, was positiv an Abgeschnitten ist? Klare Antwort: Der Film ist eine absolute Vollkatastrophe und das durch und durch: Von den darstellerischen Leistungen, der grauen TV-Optik, der überkonstruierten Geschichte mit all ihren hochnotpeinlichen Twists und nervigen Schock- und Ekelszenen, die wie ein ADHS-Kind auf Dextrogen und Red Bull nach Aufmerksamkeit krakeelen, bis hin zum zähen Rhythmus der Erzählung. Abgeschnitten ist einer der schlechtesten Thriller, die seit langem die Lichtspielhäuser der Republik heimsuchte. Der reinste Horror.
Fazit
Gratulation an alle Beteiligten. Es ist schwer möglich nach der Sichtung von „Abgeschnitten“ daran zu glauben, dass dieses Jahr noch ein schlechterer Thriller die deutschen Kinos erreichen wird. Eine desaströses Vollkatastrophe!