Inhalt
Das junge amerikanische Liebespaar Casey und Juliette wird in ein adrenalingeladenes Katz-und-Maus-Spiel quer durch Deutschland verwickelt und gerät zwischen die Fronten zweier gnadenloser Gangster.
Kritik
Actionfilme aus Deutschland. Da kommen nicht gerade wohlige Erinnerungen zurück. Ganz ehrlich, mit den Begriffen Action und Deutschland assoziieren wir doch zunächst einmal die erfolgreiche aber nicht gerade geliebte RTL-Serie Alarm für Cobra 11, die gefühlt seit Jahrhunderten für enorme Blechschäden, gute Quoten aber eben auch eine Menge Häme und rollende Augen sorgt. Teutonische Action funktioniert scheinbar einfach nicht - zumindest im Kino. Selbst Til Schweiger erlitt mit seinem Schutzengel und zuletzt Tschiller: Off Duty ordentlich Schiffbruch (siehe hier) und das obwohl letzteres, laut Schweiger, der der beste deutsche Action-Film ist.
Doch wie ist es mit einer internationalen Actionfilmproduktion, in der echte Hollywoodstars mitwirken, die in Deutschland spielt? Klar, James Bond war schon oft zu hier und Jason Bourne ist hier quasi auch zuhause, doch auch sie machten eigentlich immer nur Kurzbesuche. Bei Collide ist das hingegen anders. Der Film spielt zu 100% in Deutschland und dass nicht etwa in den oft genutzten Locations wie Berlin oder Hamburg, sondern im Kölner Raum und ein wenig in der Eifel. Das hat durchaus etwas. Zumindest für die Zuschauer für die Deutschland Exotik versprüht. Denn während wir deutsche Zuschauer Handlungsorte wie Hongkong, New York oder Rio auch deswegen spannend finden, weil es für uns eine vollkommen neue Welt ist, ist Nordrhein-Westfalen wahrscheinlich für den amerikanischen Kinogänger eine völlig neue Erfahrung.
Dazu kommt, dass Collide die Hauptattraktion für viele ausländischen PS-Junkies quasi als eigentlichen Hauptdarsteller präsentiert: die Autobahn. Für uns eine Alltäglichkeit, für einen Speedfreak, der in seiner Heimat nur Geschwindigkeitsbegrenzungen kennt, aber ein feuchter Traum. Dass die Wahrheit eigentlich anders aussieht ist geschenkt, wieso viele größere und kleinere Details, die einem der Film auftischt und die gewiss nur denen auffallen werden, die aus der Umgebung kommen, in der Autobahn (so sollte der Film ursprünglich heißen) gedreht wurde. Da brauchen die Darsteller nur vier Schritte um von der einen Ecke Kölns zur Domplatte zu kommen, im Kölner Mediapark wurde via Computergrafik einfach ein Hochhaus zum Sitz des Schurken gemacht und der 1. FC Köln regiert die Tabellenspitze der Bundesliga (gut, diese Ungereimtheit fällt nicht nur Kölner auf).
Bitte nicht falsch verstehen, diese Fehler sind bei weitem kein Ärgernis. Sie machen aus Collide stellenweise eine große, freudige, ironische Entdeckungsreise, die – zugegeben – leider nur für die Zuschauer funktionieren wird, die sich im Kölner Raum auskennen und die irgendwann im Laufe des Films bemerken, dass das eigentliche Ziel des Werks, nämlich einen packenden, schnellen und aufregenden Actionfilm darzubieten, nicht wirklich funktioniert.
Angefangen mit der eher zweckmäßigen Geschichte, dem langweilig skizzierten Helden (Nicholas Hoult, Mad Max: Fury Road) oder den meist nur eher gewöhnlich wirkenden Actionszenen (Ausnahme ist ein grandioser Trackingshot, für den man Kameramann Ed Wild applaudieren sollte), für die übrigens auch die Alarm für Cobra 11-Macher verantwortlich waren, will bei Collide nichts so wirklich funktionieren. Es ist ein ziemlich gewöhnlicher und darüber hinaus auch erzählerisch nicht sonderlich effektiv vorgetragener Actionhappen, der mit Felicity Jones zwar den Star von Rogue One: A Star Wars Story mit an Bord hat, ihr, bzw. ihrer Rolle allerdings nur beschränkten Raum lässt und sie unschön in die Passivität drängt.
Ebenfalls eingeschränkt, wenn auch eher auf freiwilliger Basis ist Anthony Hopkins. Der Das Schweigen der Lämmer-Star spult als deutscher Bösewicht Hagen Kahl nur das Schurken-Standardprogramm ab. Hier ein Shakespeare-Zitat, dort eine Anekdote aus seinem Leben. Kurz: Jedes Mal wenn Hopkins von der Leinwand reflektiert wird, verkommt Collide zu einem wirklich lethargischen Lehrstück über große Darsteller, die für einen Scheck auch gerne einmal Arbeitsverweigerung vor der Kamera aufführen, was uns zu einem weiteren Oscar-Preisträger bringt: Ben Kingsley.
Der ewige Gandhi darf ebenfalls einen Gangsterboss mimen und nein, Kingsley schlägt nicht in die gleiche Kerbe wie Hopkins. Ganz im Gegenteil. Wie ein hochgepushtes Kapuzineräffchen wirbelt der gebürtige Inder durch den Film. Ohne Kompromisse hampelt und kaspert er sich zum Epizentrum von Collide, denn egal wie viele Autos verschrottet werden, gegen die kinetische Energie eines Kingsley verblassen alle Crash des Films. Gut, das Over-the-Top-Spiel mag stellenweise anstrengend und unpassend wirken, aber es ist das Einzige, was dem Film von Eran Creevy (Enemies - Welcome to the Punch) etwas Vitalität verleiht und scheinbar war Kingsley auch der Einzige der Darsteller, der verstanden hat, dass man solch eine dünne Story wie die von Collide nur dann wirklich ertragen kann, wenn man sie nicht zu ernst nimmt.
Wirklich retten kann Kingsley aber dann doch nur wenig, dafür spielt seine Figur eine zu kleine Rolle, wobei noch mehr von ihm Collide wahrscheinlich mehr geschadet, als geholfen hätte. Aber er gehört klar zu den Stärken des Actionfilms, der im Grunde nicht mehr bietet als uninspiriertes Malen-nach-Zahlen.
Fazit
Diejenigen, die ein Faible für Ironie haben und aus dem Kölner Raum kommen, sollten sich „Collide“ ansehen, denn es gibt einiges zu entdecken, was durchaus vergnüglich ist. Für alle anderen gilt der Ratschlag, dass hier nicht mehr geboten wird als espritloser Genre-Standard, weswegen eine Sichtung nicht unbedingt katastrophal wäre, aber wahrscheinlich so erquickend wie eine Kaffeefahrt in einem klapprigem Bus durch die Eifel.
Autor: Sebastian Groß