"Ich liebe es, Männer scharf zu machen."
Wenngleich sich New-Hollywood-Veteran Brian De Palma (Mission: Impossible) viele Jahre seiner Karriere mit einem eher abschätzig beleumundeten Status versehen sah, so sollte sein gerne ins obszöne ausschlagende Kino, welches Werke wie Blow Out - Der Tod löscht alle Spuren, Der Tod kommt zweimal und natürlich auch Dressed to Kill umfasst, zum Standardinventar an Filmhochschulen gehören. Kaum ein anderer Regisseur verstand es in derart stilsicherer Ausprägung, dem Zuschauer die eigene Hilflosigkeit gegenüber den erzählerischen wie handwerklichen Mitteln vor Augen zu führen. In Der Tod kommt zweimal wird diese Unterlegenheit auf den meisterhaften Höhepunkt getrieben und ein Vexierspiel konstruiert, welches nicht nur keinem konventionellen Narrativ unterliegt, sondern gleichwohl filmerzählerischen Mechaniken hinterfragt, demontiert und offenlegt: Wer verbrennt sich hier nun eigentlich wirklich die Finger?
Wenn Brian De Palma erzählt, dann steckt in diesem Erzählen auch immer eine Reflexion über das Erzählen selbst. Dressed to Kill bildet diesen Umstand in einer die Ewigkeit überdauernden Sequenz ab: Kate Miller (Angie Dickinson, Mohn ist auch eine Blume) besichtigt nach einer Sitzung bei ihrem Psychologen Dr. Robert Elliott (Michael Caine, The Dark Knight Rises) das Metropolitan Museum of Art. Dem gesprochenen Wort wird von nun an kein Raum mehr gewährt, stattdessen entfaltet sich Brian De Palmas Genie in Sachen Illustrieren. Kate inspiziert ihre Umgebung, beobachtet andere Besucher und bleibt an einem Mann mit Sonnenbrille hängen, der sie womöglich aus ihrer sexuellen Frustration befreien könnte. Die musikalische Untermalung von Pino Donaggio schwingt sich alsbald in höchste Höhen, seift das sich anbahnende Katz-und-Maus-Spiel, in dem ein verlorener Handschuh eine entscheidende Rolle einnehmend wird, nach allen Regeln der Kunst ein.
Die Kamera von Ralf Bode schleicht bedächtig, um im nächsten Moment wieder durch die verwinkelten Gänge der renommierten Kultureinrichtung zu peitschen. Das Museum wird zum von elektrisierender Spannung heimgesuchten Labyrinth des Verlangens, in dem die Neugierde und Beklemmung einen berauschenden Gefühlscocktail ergeben. Das Herz klopft, die Libido keucht. Die Gemälde und Exponate, die den sprühenden Bewegungsdrang der Kamera säumen, werden indes zum diegetischen Symbol erhoben: Sie verweisen dort auf das visuelle Erzählen, auf die Geschichten, während sich auch Dressed to Kill von allen Ansprüchen entkoppelt, eine drehbuchbasierende Narration zu hofieren. Bezeichnend ist es dabei, dass Brian De Palma, der sich hier regelrecht masturbatorisch am bis ins Letzte durchexerzierten Strukturalismus labt, die Szene mit einem im Lärm der Großstadt verklingenden Organismus auf der Taxirückbank auflöst.
Diese 10 Minuten mögen das handwerkliche Prunkstück von Dressed to Kill bedeuten, Brian De Palma aber bleibt seiner ästhetischen Meisterschaft dem gesamten Film über treu: Die äußere Spannung, die Dressed to Kill aufwirbelt, akzeptiert Ungereimtheiten und Logikschlaglöcher mit Kusshand, bliebt das Geschehen doch einer formalen Sinnhaftigkeit ergeben, die nicht nur Alfred Hitchcock (Vertigo - Aus dem Reich der Toten) die Ehre erweist, sondern sich auch als epigonaler Erbe eines Mario Bavas (Blutige Seide) oder Dario Argentos (Suspiria) präsentiert. Ja, Brian De Palma hat hier einen echten, sich in Eleganz ergießenden Global Giallo in Szene gemeißelt, der alle charakteristischen Insignien der italienischen respektive europäischen Strömung aufweist und einen Heidenspaß am fetischisierten, sexualisierten wie vulgärpsychologisierten Treiben aufweist - die schwarzen Handschuhe und die überdimensional aufblitzende Schneide des Rasiermessers dürfen natürlich nicht fehlen.
Über De Palmas Frauenbild und sein Verhältnis zur eigenen Sexualität muss allerdings zwangsläufig gesprochen werden. Denn obgleich Dressed to Kill von sexuellen Schwingung geradezu übermannt ist, scheint der Geschlechtsakt in all seinen Ausformungen für Brian De Palma niemals unbeschwertes Vergnügen zu bereiten. Nein, Sex ist hier erst mal der Grund, einen besorgniserregenden Bescheid vom Hausarzt zu erhalten, oder das Vorspiel zum Töten, während der Mord, ein lustvoller, durchkomponierter Akt der Dekonstruktion, zum Höhepunkt erklärt wird. Sex kills! Dass De Palma seine damalige Ehefrau, Nancy Allen (RoboCop), wie auch im ein Jahr später erschienenen Blow Out - Der Tod löscht alle Spuren, in der Rolle der Prostituierten darstellt, mag womöglich auch ein Stück weit befremdlich erscheinen. Von den Vorwürfen latenter Misogynie wird sich De Palma jedenfalls nie rehabilitierten, dass sein Kino jedoch darüber hinaus wächst, ist bewiesen.