Inhalt
Als Everlys Zuhälter und hochrangiger Yakuza-Boss Taiko herausfindet, dass sie eine FBI-Informantin ist, wird Everlys luxuriöse Bleibe zur tödlichen Falle. Um das vom Boss versprochene Kopfgeld zu kassieren, steht bald eine ganze schwer bewaffnete Armada von Profikillern vor der Tür. Gefangen in ihrer Wohnung, wehrt sich die unbedarfte Everly mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln und kennt dabei keine Gnade …
Kritik
Ein Schützenfest im Hochhaus, bei dem mindestens so viel Kunstblut fließt wie frisch Gezapftes im Bierzelt. „Everly – Die Waffen einer Frau“ könnte grob als das feminine Pendant zu den bleihaltigen Zerstörungsorgien „The Raid“ oder „Dredd“ genannt werden, diesmal nur in die andere Richtung. Die Bösen kommen hoch, der bzw. in dem Fall die Held(in) verschanzt sich und wehrt alles ab; von geldgeilen Huren, verspielten Kampfkötern, wahnsinnigen Folterknechten, masochistischen Kamikazepsychopathen bis hin zu ganzen SWAT-Teams. Am Ende steht kaum noch ein Stein auf dem anderen. Auf sie mit Gebrüll!
Regisseur und Co-Autor Joe Lynch („Knights of Badassdom“) hat hier eindeutig nur ein Ziel: Richtig, also so R-I-C-H-T-I-G, auf die Kacke hauen. Ein (auf den Etagenflur) ausgeweitetes Kammerspiel, bis zum Anschlag überdreht, rücksichtlos-brutal und mit voller Absicht von jedem Logik-Anflug lustvoll befreit. Wer anfängt sinnvolle Frage zu stellen, wirft spätestens ab der Hälfte verzweifelt das Handtuch. Da bleiben eigentlich nur zwei Optionen: Das Teil entnervt abzuwinken oder sich von der Welle des brachialen Blödsinns bis zum Abspann mitreißen zu lassen. Hirn zu, Fresse halten und die Kuh einfach fliegen lassen. Sollte man meinen. „Everly – Die Waffen einer Frau“ schafft jedoch das bemerkenswerte Kunststück – obwohl so konsequent mit dem Kopf durch die Wand - noch eine dritte Variante zu finden: Irgendwo dazwischen. Zwischen bewusst sinnentleert (womit theoretisch kaum angreifbar) und manchmal selbst dafür noch haarsträubend; zwischen radikal-rasant und überflüssig ausgebremst; zwischen Situationen, die sich in das Gedächtnis fressen wie Säure durch die Magenwand und welchen, die nicht minder ätzend sind. Mal eine wunderbar schwungvolle Gore-Gaudi in bester Chicks-with-Guns-Manier, dann wieder affektierter Unfug am Rande der Toleranzgrenze. Einzige Konstante in diesem Auf und Ab: Salma Hayek („Desperado“), die und ihr Hintern sind noch genauso sehenswert wie vor 20 Jahren. Beneidenswert, immer noch vorzeigbar als wilde Latina mit Feuer im Arsch und Lauf.
„Everly – Die Waffen einer Frau“ könnte selbst bzw. besonders durch sein schlichtes Konzept prächtig funktionieren. Gib dem Affen ordentlich Zucker, lass keine Verschnaufpause zu und einfach nur Angriffswelle auf Angriffswelle folgen. Das beherzigt Joe Lynch aus wenig nachvollziehbaren Gründen nicht. Da setzt ein Gangsterboss ein sattes Kopfgeld auf seine Zwangs-Konkubine aus, die sitzt in ihrer Bude fest und kann nicht weg, jeder weiß das und eigentlich dürften das Schlag auf Schlag gehen. Stattdessen hat Madame nach dem ersten Ansturm sogar Zeit aufzuräumen, zu duschen und sich in Schale zu werfen. Unten stehen die zwar alle rum, machen aber nichts. Warten die auf den Schichtbeginn zum Einstempeln? Werden Überstunden nicht abgerechnet? Hat die Gewerkschaft zum Streik aufgerufen? Möglich, man erfährt es auch nicht. Dadurch entsteht nicht nur eines von vielen klaffenden Plot-Holes, man hat auch noch Zeit, sich versehentlich Gedanken über so was zu machen. Vor allem schadet es der Dynamik, die treibende Kraft in so einem Film. Sie wird nicht zerstört, dafür geht hier kurz darauf wieder viel zu viel ab, sie bekommt jedoch unschöne und unnötige Dellen. Das ist nur ein Beispiel für die Unausgewogenheit dieses Films, der stelleinweise durch eine hervorragend Actioninszenierung nebst schöner Kameraarbeit und griffigem Galgenhumor enorm punkten kann, bevor einem überkandidelte, fast peinlich-überzeichnete Nebenfiguren (mal ausnahmsweise nicht Jennifer Blanc-Biehn, „Unter Freunden – Komm, lass und spielen“, die zwar wie immer scheußlich ist, nur endlich mal rechtzeitig das bekommt, was sie verdient) und kaum zu ignorierende Schwächen im Ablauf beinah den Filmgenuss verhageln.
Fazit
„Everly – Die Waffen einer Frau“ ist ein zweischneidiges Schwert. Als wilder Ritt auf der MG-Kugel mit einigen Schauwerten und einem verspielt-übertriebenem Härtegrat teilweise ein knackiges, amüsant-böses Vergnügen. Teilweise aber auch schon anstrengend, zu gewollt-krass, ohne durch richtig geile Einfälle auf sich aufmerksam zu machen (und die als solche geplant sind, gehen eher nach hinten los). Liegt in einer ungünstigen Grauzone: Nicht mit gutem Gewissen zu empfehlen, hat aber noch genug, um unter Umständen mal gesehen zu werden.
Autor: Jacko Kunze