Inhalt
Die gesamte USA wird von einem bisher unvorstellbaren Akt des Terrorismus bedroht, der sich innovativster Techniken bedient und mittels Computerkraft das Land ins Chaos zu stürzen vermag. Die IT-Infrastruktur des Landes wird komplett außer Kraft gesetzt, Kommunikation und Bankwesen liegen lahm und die überraschten Behörden wissen zunächst nichts entgegen zu setzen. Nur ein Mann kann den Terror aufhalten: Der New Yorker Polizist John McClane hält nichts von modernem Schnickschnack und macht sich auf seine eigene Art auf die Jagd nach dem Drahtzieher des spektakulären Coups. Unterstützt wird er dabei von dem jungen Greg, den McClane eigentlich nur von New Jersey nach Washington bringen sollte. Doch mal wieder ist der alte Haudegen zur falschen Zeit am falschen Ort…
Kritik
Dass sich John McTiernans „Stirb langsam“ längst als Referenz im Action-Sujet etabliert hat, ist ein unumstößlicher Fakt: Wer „Stirb langsam“ nicht kennt, dessen cineastisches Grundwissen weist eklatante Lücken auf. Dabei liegt die große Stärke des Films primär in der Authentizität seiner Inszenierung. Auch wenn es sicher irgendwo Logikschnitzer in „Stirb langsam“ zu entblößen gibt, wurde das Szenario einfach unglaublich plastisch-einnehmend geschildert und hatte mit John McLane einen Protagonisten, der sich zu zur Hochphase der erbarmungslosen Muskelpakete Arnold Schwarzenegger und Sylverster Stallone eine gewisse Verletzbarkeit bewahrte und dem Zuschauer dadurch vermittelt konnte, dass das Ganze durchaus auch ziemlich böse für den eigentlichen Helden der Geschichte ausgehen könnte, eben weil er nicht unantastbar erschien und mit schweren Verlusten wie dem persönlichen Versagen zu rechnen hatte. Das allerdings ist nun schon bald 26 Jahre her und McLane bekam bis zum Jahre 2007 mit „Stirb langsam 2“ und „Stirb langsam – Jetzt erst recht“längst ein dreiteiliges Franchise spendiert.
Seinen letzten Auftritt in „Stirb langsam – Jetzt erst recht“ bestritt McLane 1995 noch mit Bravour, um dann volle 12 Jahre später noch einmal den Retter wider Willen in „Stirb langsam 4.0“ zu mimen. Aber kann das, gerade nach dieser langjährigen Leinwandabstinenz, funktionieren? Natürlich kann es, wie Sylvester Stallone mit „Rocky Balboa“schon unter Beweis stellte und sich sogar nach Uraufführung vom eher misslungenen„Rocky V“ 16 Jahre verstreichen ließ, bis er die Boxhandschuhe wieder über seine Pranken stülpte. Mit Len Wiseman auf dem Regiestuhl hatte „Stirb langsam 4.0“ immerhin einen Mann gefunden, der es durchaus verstand, Action in Szene zu setzen, wenngleich diese in den bis dahin erschienenen„Underworld“-Filmen fernab der sonstigen Gestaltung der „Stirb langsam“-Filme war. Erwartet „Stirb langsam 4.0“ also eine triftige Generalüberholung? Jaein. In jedem Fall musste sich der geneigte Fan 2007 darauf einstellen, einen anders konzipierten „Stirb langsam“-Teil in Empfang zu nehmen, als es noch die kultigen Vorgänger waren. Schlecht aber muss das noch lange nicht sein, wenngleich „Stirb langsam 4.0“ nicht rundum befriedigt.
Gerade „Stirb langsam“ und „Stirb langsam – Jetzt erst recht“ haben sich in ihrer dramaturgischen Effektivität auch dadurch ausgezeichnet, dass die mit John McLane nicht nur einen mitreißenden Protagonisten im Repertoire hatten, sondern dem zynischen Gesetzeshüter mit Hans „Jack“ Gruber (Alan Rickman) und Peter „Simon“ Gruber (Jeremy Irons) zwei faszinierende Antagonisten in den Weg stellte, deren Präsenz wie ein Damoklesschwert über jeder Szene schwebte.Bruce Williszeigt sich in seiner Paraderolle auch in „Stirb langsam 4.0“ gewohnt zäh und (aufpassen, doppeldeutig) schlagfertig. Dass sein John McLane aber schon in Teil 3 zu einer Karikatur geraten ist, die – so hat man das Gefühl – sich einfach nur durch kaltschnäuzige One Liner zu artikulieren weiß, bestätigt auch Teil 4, bei dem McLane zwar auch wieder reichlich einstecken muss und sich mit so mancher Blessur herumschleppt, doch so wirklich möchte das Bedrohungsszenario nicht aufgehen, dafür ist der grimmige McLane schon viel zu ikonisiert, als dass man es sich erlauben würde, Zweifel an seinem Bestehen in die Erzählung einfließen zu lassen.
Es liegt aber nicht nur an der Überhöhung von McLane, dass „Stirb langsam 4.0“ eher unspannend ist. Wie erwähnt, zeichneten sich die vorherigen Teile durch ihre tollen Bösewichter aus. Mit Timothy Olyphant als Ex-Pentagon-Sicherheitsexperte, der die Infrastruktur des Landes zum Erliegen bringen möchte, in dem er alle Computernetzwerke anzapft und unter seine Kontrolle bringt, hat man einen Gegenspieler, der größtenteils damit beschäftigt ist, in einen Bildschirm zu starren und die Tastatur energisch zu bearbeiten. Damit soll nicht gesagt sein, dass dieses Szenario keine verheerenden Auswirkungen mit sich bringen würde, nur eine Geiselnahme handhabt sich weitaus griffiger für den Zuschauer, weil die Ausmaße der Bedrohung einfach konkretisierter erscheinen. Dass wir es nun also mit Computerspezialisten zu tun bekommen, gebiert für Inszenierung ebenfalls die Chance, mit hochtechnologischem Gedöns aufzufahren und den Actionpegel aus dem realistischen Anker auszuhebeln, um ihn in weitaus phantastischere Sphären zu verlagern, in denen physikalische Gesetzmäßigkeiten eine eher untergeordnete Rolle spielen: „Stirb langsam 4.0“ setzt auf Spektakel.
Und das führt zu einigen wirklich fein elaborierte Action-Sequenzen, auch wenn der CGI-Überdruss in so manchem Moment etwas vor den Kopf stößt, aber ganz dem kontemporären Sehgewohnheiten angepasst ist. Wenn McLane einen Helikopter mit einem Polizeiauto „killt“ oder ein F-35B-Kampfyet eine stark gefahrene Brücke beschießt, nur mit dem Ziel, den unter dieser in einem LKW sitzenden McLane zu begraben, dann ist das dermaßen Over-the-Top, dass es irgendwie keinen sonderlichen Spaß mehr macht, weil es das eigentliche „Stirb langsam“-Feeling komplett gegen die überbordende Sensationslust ausgetauscht hat. Da macht der handfeste Kampf gegen Mai Linh (Maggie Q) in einem von der Decke baumelnden Auto schon mehr her. An und für sich aber bringt „Stirb langsam 4.0“ schon genug Unterhaltungswert mit sich, als dass man ihn nun als Fremdkörper des Franchise verdammen und verfluchen müsste. Es tut dem Film gut, McLane einen Schauspieler wie Justin Long an die Seite zu stellen, der als findiger Hacker vor ganz infantilen Gags in der „Ich-bin-zu-alt-für-diesen-Kram“-Endlosschleife bewahrt. Willis und Long harmonieren ziemlich gut und ihre Chemie ist letztlich dafür verantwortlich, dass „Stirb langsam 4.0“ unentwegt Kurzweil generiert.
Fazit
Das Feeling der ersten drei Teile sucht man in „Stirb langsam 4.0“ vergebens und das legendäre Zitat „Yippie-Kay-Yay, motherfucker“ wirkt wie ein nostalgisch-verklärte Reminiszenz an bessere Tage. Aber genug der Wehmut, denn „Stirb langsam 4.0“ ist immer noch ein größtenteils unterhaltsamer Film, der von seinem guten Hauptgespann zehrt und einige wirklich gute Action-Sequenzen in petto hat. Das Übermaß an CGI-Effekten und der forcierte Drang nach Spektakel stehen dem Franchise zwar nicht unbedingt, demontieren es aber ebenfalls nicht. Jedenfalls nicht in Gänze. Nett.
Autor: Pascal Reis