Vorweg: Liebesromane haben nicht den besten Ruf. Vor allem nicht jene mit den ikonischen »Nackenbeißer«-Covern, auf denen ein muskulöser Mann – gern mit offenem Hemd – sich über eine Frau in meist wallendem Kleid beugt. Doch so demonstrativ viele über das Genre und seine Leserinnen die Nase rümpfen – Liebesromane verkaufen sich nichtsdestotrotz wie geschnitten Brot, und gerade auf dem US-Buchmarkt kann es manch männliches Covermodel in diesem Bereich offenbar zu wenigstens moderatem Ruhm bringen.
Die Ausgangssituation von The Lost City orientiert sich insofern erstaunlich nah an der Realität. Autorin Loretta Sage schafft es mit ihren Abenteuerromanen regelmäßig auf die Bestsellerlisten – was nicht zuletzt ihrer Figur Dash zu verdanken ist, oder vielmehr deren Covermodel Alan, der mit wilder blonder Mähne auf jedem Buchumschlag posiert (eine deutliche Referenz an Fabio, der in den 80ern und 90ern mit ähnlichem Look beinahe 500 Romance-Cover zierte).
Während sich Alan im Glanz der Popularität sonnt, die ihm seine Rolle als Dash einbringt, hadert Loretta zunehmend mit ihrem Autorinnendasein. Gründe dafür hat sie einige: Erfolgsdruck, Schreibblockaden und leise Verachtung dafür, dass ihre Bücher sich vor allem als seichte Unterhaltung verkaufen, während ihr selbst die akkurate Recherche und die sorgsam eingearbeiteten archäologischen Fakten besonders am Herzen liegen. Vor allem aber hat sich Loretta seit dem Tod ihres Mannes – einem Archäologen – von allem abgekapselt, hasst die Welt da draußen und möchte das Schreiben am liebsten aufgeben.
All das präsentiert The Lost City in den ersten Minuten doch eher mit dem erzählerischem Holzhammer – was den unterhaltsamen Einstieg aber keineswegs schmälert. Denn Aaron und Adam Nee (Band of Robbers), verantwortlich für Drehbuch und auch Regie, zeigen rasch, dass sie ihr Handwerkszeug beherrschen und mit Genrekonventionen zu arbeiten und zu spielen wissen. Gleichzeitig überzeugen auch Sandra Bullock und Channing Tatum schon in ihrer ersten gemeinsamen, dezent bizarren Szene als gegensätzliches Paar: Bei der gemeinsamen Buchtour kämpft sich Loretta in einem pinkfarbenen Glitzer-Jumpsuit mit sichtlichem Unbehagen auf einen Barhocker, während im nächsten Moment Dash mit den Allüren (und Spezialeffekten) eines Filmstars zu »The Final Countdown«-Klängen auf die Bühne paradiert ... und Loretta gründlichst die Show stiehlt.
Auch in Sachen Humor ist die Szene beispielhaft für den Rest des Films, denn The Lost City setzt weder auf aggressive Schenkelklopfer noch Fäkalhumor, sondern vor allem auf Situationskomik, die meist aus einem Faktor erwächst: wie fehl am Platz sich die Figuren fühlen ... und wie überfordert sie dem Abenteuerlichen gegenüberstehen, das in Lorettas Büchern immer so eindrucksvoll und leicht zu meistern wirkt. Sobald es Loretta und Alan in den dichten Dschungel einer karibischen Atlantikinsel verschlagen hat, können sowohl Bullock als auch Tatum dieses Gefühl voll ausspielen. Die zu erwartende Annäherung zwischen ihren Figuren wirkt zum Teil leider etwas bemüht. Sie ist aber nichtsdestotrotz herzerwärmend anzuschauen, weil beide Darsteller einen guten Job machen und das Drehbuch gängige Genreklischees meist nicht überstrapaziert.
Dazu jongliert The Lost City genüsslich mit den Tropes klasssischer Abenteuerfilme – schließlich jagen wir einem sagenumwobenen Schatz in einer versunkenen Stadt nach! –, betont aber bei allen Indiana-Jones-Vibes, dass sein Heldenduo aus einer Alltagswelt mit völlig anderen Maßstäben stammt. Und so geht es eben mit High Heels, Rollkoffer und unbeholfener Überforderung quer durch den Dschungel. Aus diesem Ansatz hätte The Lost City womöglich sogar noch mehr an Gags herausholen können.
Wie schon angedeutet tragen die Darsteller ordentlich dazu bei, dass die romantische Actionkomödie funktioniert. Neben Bullock und Tatum glänzt auch der Rest des Casts: Daniel Radcliffe hat sichtlich Spaß in seiner Rolle des exzentrischen Bösewichts Abigail Fairfax, der sich auf seine Weise ähnlich unbeholfen anstellt wie Loretta und Alan, dabei aber stets tadellos gekleidet ist. (In einem Interview hat Radcliffe augenzwinkernd angegeben, in keinem anderen Film je so gut ausgesehen zu haben wie in The Lost City.)
Brad Pitt (Once Upon a Time ... in Hollywood) wiederum darf in einem herrlich überzogenen Kurzauftritt für eine Runde Action sorgen, die zugleich nie den Comedyaspekt des Films aus den Augen verliert. Und Da’Vine Joy Randolph (High Fidelity) verkörpert Lorettas resolute Verlegerin Beth, die zu Beginn der Handlung nur als Stichwortgeberin und Randerscheinung zu fungieren scheint, dann aber einen eigenen kleinen Plotstrang bekommt, der ihrer Figur über den anfänglichen Eindruck hinaus Profil verleiht.
Überhaupt ist das Storytelling handwerklich sauber. Freilich darf man keine allzu großen Twists erwarten, muss hier und da mit schon erwähntem Holzhammer leben und an der ein oder anderen Stelle Figurenmotivationen und -handlungen einfach mal hinnehmen. Aber auch hier gilt, dass The Lost City sich innerhalb von Genrekonventionen bewegt und gar nicht überzogen raffiniert sein will, sondern in erster Linie unterhaltsam. Das jedenfalls gelingt, und die Handlung ist bei aller Vorhersehbarkeit schlüssig konzipiert. So werden spätere Entwicklungen dramaturgisch schlau angelegt und vorbereitet. Und am Ende gibt es sogar doch noch eine kleine Überraschungswendung, die wiederum genau ins Genre passt.
Sicher: Auch innerhalb der gesteckten Ziele wäre noch Luft gewesen für mehr erzählerische Frische. Doch wenngleich The Lost City das Rad nicht neu erfindet und nicht alle Gags restlos zünden, weiß der Film gut zu unterhalten. Dazu wartet er an einigen Stellen auch mit selbstironischen Seitenhieben auf schlecht gealterte Romance-Tropes auf – findet aber auch deutliche Worte gegen das eingangs erwähnte Nasenrümpfen gegenüber dem Genre. Denn schließlich, wie Alan sagt, machen Lorettas Bücher viele Leute ungemein glücklich ... und wie kann das schlecht sein?