Südkorea hat ein unfassbar hochwertiges Thrillerangebot. Eines, das jedem anderen Markt regelmäßig mit seinen Genrevertretern die blanke Visage poliert und zeigt, wie man unfassbar düstere und gefühlvolle Krimis auf die Beine stellen kann. Park Chan-wook mit seiner Rache-Trilogie wurde schließlich von Hollywood angeworben. Ebenso Kim Jee-woon, der mit „I Saw The Devil“ und „Bittersweet Life“ zwei herausragende Filme inszenierte. Und so geschah es letztendlich auch mit Bong Joon-ho, der mit „Snowpiercer“ einen wirklich strammen Film für den US-Markt realisierte. Dessen Karriere nahm mit „Memories of Murder“ gewissermaßen ihren richtigen Anfang, da er zum ersten Mal einem breiteren Publikum bekannt gemacht wurde, bevor er mit seinem nächsten Film sämtliche Erwartungen sprengen sollte.
„Memories of Murder“ hat es dabei tatsächlich verdient, in einem Atemzug mit den gelisteten und bekannteren südkoreanischen Krimis genannt zu werden. Die inszenatorische Klasse von Bong Joon-ho zeigt sich dabei gleich von Beginn an. Eines der Opfer des ersten südkoreanischen Serienkillers wird gefunden. In einem Graben neben einem Feld, in dem ein kleiner Holzschacht angebracht ist. Das Feld strahlt gelb, der Himmel ist strahlend blau. Wüsste man es nicht besser, man würde es nicht glauben, dass an diesem Ort etwas schlimmes passieren kann. Man würde den Kopf schütteln und demjenigen mit einem Lachen den Vogel zeigen. Hier, unter diesem paradiesischen Himmel? Auf diesen Himmel schreibt der Regisseur dann auch den Filmtitel. Da hat der Polizist Park die Frauenleiche schon gefunden, da hat er schon ihre gefesselten Handgelenke und die ganzen Viecher auf ihrer Haut gesehen. Da wurde das Paradies schon entweiht.
Die Suche nach dem Mörder ist in vielen Filmen das Kernstück des Werkes. Der Whodunit ist ein beliebtes Krimi-Genre mit relativ festen Regeln und einem relativ festen Ablauf. Aber wer glaubt, dass dieser Film diesen Regeln und diesem Ablauf folgen wird, der hat die Rechnung ohne Bong Joon-ho („The Host“) gemacht. Die Suche nach dem Täter wird nämlich zu einer blinden Hetzjagd. Je länger die Jagd wird, desto mehr Druck lastet auf den Polizisten. Desto dringender verlangt die Bevölkerung nach Aufklärung der Fälle. Desto radikaler werden die Methoden der Polizisten und desto stärker werden sie in den Strudel des Wahns und der Verzweiflung gesogen. Sie wollen die Geständnisse schließlich erzwingen. Da ist ihnen schon egal, wer es generell ist, den sie da vor sich haben. Egal, wer der Täter ist, solange es überhaupt jemand war und der Albtraum sein ersehntes Ende nimmt.
Ein Ende des Chaos wird sehnsüchtig erwartet von den Polizisten. Sie wollen endlich die verzweifelte Müdigkeit, die sich langsam über ihr Leben legt und ihnen Arme, Hände und den Luftzufuhr abzubinden scheint. Park fragt seinen Partner aus Seoul, der extra für die Aufklärung dieses Falles in die rurale Gegend gekommen ist, ob er etwas Derartiges schon öfter in der großen Hauptstadt gesehen hätte. Er verneint. Die Tatsache, dass in dieser Antwort weder Trauer noch Erleichterung herauszufiltern ist, zeigt, wie abgestumpft die Ermittler werden, je länger ihre Arbeit sie an diesem Ort festhält. Die Arbeit lässt ihnen keine Ruhe, sie können das Gesehene und Erlebte nicht verarbeiten, sie können nicht abschalten oder einfach weitergehen. Sie können nicht anders, als sich voll und ganz hineinstürzen und hoffen, dass sie am Ende heil wieder auf der anderen Seite der Hölle herauskommen. Zumindest solange, wie Hoffnung noch eine Vokabel im Wortschatz der Männer ist.
Wie diese Hoffnung langsam aus den Gesichtern, Herzen und Gedanken der Ermittler schwindet, wurde selten so deutlich und großartig gefühlvoll inszeniert wie von Bong Joon-ho. Er lässt eine Welt entstehen, in der jede Kleinigkeit bestraft wird. In der man für jeden Schritt nach vorn, mindestens zwei Schritte zurück machen muss. Vor dem Hintergrund der Militärdiktatur, die in Südkorea herrschte (der Film spielt 1986) scheint das ganze Land in Aufbruchstimmung zu sein. Demonstrationen für die Demokratie und Freiheit des Menschen sind da, werden aber immer wieder von den Polizisten und Soldaten niedergeschlagen. Diese Gewalt der Fronten Freiheit gegen Macht werden dabei mit heiterer Musik unterlegt. In diesen Momenten scheint der Zynismus dieser Welt seltsam deutlich. Das war er doch vorher nicht. Sonst kam er schleichend um die Ecke und legte seine Hand auf die Schulter der Figuren. Hier kam er von vorn. Und das genügt einem tollen Regisseur wie Bong Joon-ho, um alles deutlich zu machen, was deutlich gemacht werden muss.