Inhalt
Auf einem fernen Planeten gerät eine Mannschaft aus WissenschaftlerInnen in Gefahr, als ein außerirdisches Wesen eine der ihren überfällt und vergewaltigt.
Kritik
Im Jahr 1979 erschuf Regisseur Ridley Scott mit Alien einen Film, der zu einer Art Blaupause für Science-Fiction-Horror werden sollte. Dabei hat Alien das Rad gar nicht neu erfunden. Werke wie Das Ding aus einer anderen Welt, Planet der Vampire und insbesondere It! The Terror from Beyond Space beinhalteten bereits Jahre, um nicht zu sagen Jahrzehnte zuvor exakt jene Bausteine, die Scotts Meisterwerk später auszeichnen sollten. Nur wurden diese Elemente im Falle von Alien eben perfekt aufeinander abgestimmt sowie u. a. mit grandiosen Bildern versehen. Obwohl die damaligen Kritiken anfänglich gemischt waren, wurde Alien ein kommerzieller Erfolg. Und was für einer. Bei einem Budget von gerade einmal 11 Millionen USD sollen phänomenale 184,7 Millionen USD an den Kinokassen eingespielt worden sein. Da verwundert es wenig, dass gerade in den Folgejahren mehrere (zumeist) kostengünstig produzierte Rip-Offs wie z. B. Forbidden World entstanden, die bei gleicher oder zumindest sehr ähnlicher Formel auf hohe Gewinne hofften.
Ein Film, der im Zuge dessen ebenfalls immer wieder gerne genannt wird, ist der britische Inseminoid (der in Deutschland den klangvollen Verleihtitel Samen des Bösen spendiert bekam). Inszeniert wurde dieser von Regisseur Norman J. Warren, der zuvor Werke wie Prey oder Killing House abgeliefert hatte. Bei vielen KritikerInnen kam der 1981 veröffentlichte Inseminoid nicht sonderlich gut weg. Dafür schaffte er es in Großbritannien auf die „ruhmreiche“ Liste der sogenannten Video Nasties, auf der lediglich die ganz, ganz fiesen Filmchen landeten. Entsprechende Titel galten als verboten und ein Vertrieb innerhalb des United Kingdom war nicht mehr gestattet (ähnlich wie wir es hierzulande von Beschlagnahmungen nach §131 StGB kennen). Insbesondere zu Zeiten der Videokassetten, aber auch noch als die DVD das Maß aller Dinge im Bereich Heimkino war, kamen derartige Etikettierungen für Horrorfilmfans geradewegs einem aussagekräftigen Qualitätssiegel gleich. Folglich konnte Inseminoid, ungeachtet der meist mäßigen Kritiken, auf diesem Wege nachhaltig Aufmerksamkeit generieren. Aus heutiger Sicht hält sich der gebotene Härtegrad allerdings in Grenzen. Also bloß kein ausuferndes Schlachtfest erwarten.
Inhaltlich geht es bei Inseminoid um ein Team von WissenschaftlerInnen, das auf einem fremden Planeten Spuren einer hochintelligenten außerirdischen Spezies untersucht. Als es im Zuge der unterirdischen Arbeiten zu einem Zwischenfall mit Verletzten kommt, nimmt das Unheil seinen Lauf. Nicht nur, dass von gefundenen Kristallen eine eigenartige Macht auszugehen scheint, ein weibliches Crewmitglied trifft obendrein noch auf eine außerirdische Lebensform, von der es vergewaltigt wird. Mit bösen Folgen für alle versteht sich. Die Frau verfällt nicht nur dem Wahnsinn, sondern macht obendrein Jagd auf ihre KollegInnen. Das verzweigte Höhlensystem nebst der darin gelegenen Raumstation wird zum Schauplatz eines klaustrophobischen Katz-und-Maus-Spiels, bei dem die Crew sukzessive dezimiert wird und es keine Hoffnung auf Hilfe von außen gibt. Die Wirkung des Ganzen fällt indes weit weniger intensiv aus, als dies vermutlich intendiert war. So herrscht bei dem eher in gemächlicher bis maximal moderater Geschwindigkeit erzählten Inseminoid zwar durchaus ein gewisses Maß an Bodyhorror, klaustrophobischer Spannung, wie auch Suspense vor, sonderlich hoch fällt dieses jedoch nicht aus.
Zu großen Teilen liegt dies an dem Umstand, dass uns die Charaktere komplett fremd bleiben, da sich Inseminoid kein Stück um Figurenzeichnung bemüht. Die Figuren erscheinen dementsprechend allesamt höchst schablonenhaft, weswegen wir kaum Möglichkeiten bekommen, eine Beziehung zu ihnen aufzubauen. Erschwerend hinzu kommt das eher mittelprächtige Schauspiel von so ziemlich allen Beteiligten. Einzige Ausnahme stellt hierbei die schauspielerische Leistung von Judy Geeson (Fear in the Night) dar, die emotional aufspielt und sichtlich darum bemüht ist, ihrer Figur Leben einzuhauchen. Für den maximalen Filmgenuss dürfte es am besten sein, wenn man eine gewisse Affinität für B-Movies oder gar Trashfilme mitbringt. Denn erst unter diesen Voraussetzungen kann Warrens Werk sein volles Potenzial entfalten. In diesem Fall fällt es nämlich auch nicht weiter ins Gewicht, dass für die Realisierung des Projekts lediglich ein knappes Budget von gerade einmal einer Million britischen Pfund zur Verfügung stand. Stattdessen vermag es Inseminoid dann gerade daraus einen gewissen Charme zu beziehen.
Überhaupt ist es so, dass sich Inseminoid, obwohl er aus Großbritannien stammt, die meiste Zeit über wie ein Vertreter des italienischen Kinos anfühlt. Grund dafür ist in erster Linie die Ausstattung sowie manches verwendete Stilmittel. Da wären z. B. der zeitweise Einsatz von Farbfiltern à la Suspiria. Oder die aus dünnem, silbrigem Stoff bestehenden „Raumanzüge“ mit den klobigen Helmen, die an Filme aus den 50ern bzw. 60ern wie z. B. den Italo-Output Orion 3000 - Raumfahrt des Grauens erinnern. Außerdem wäre da noch ein stimmungsvoller Synthesizer-Score, der sowieso Erinnerungen an gefühlt jeden Horror- bzw. Sci-Fi-Film aus Bella Italia aufkommen lässt. Herzstück von Inseminoid ist letztendlich aber das stimmungsvolle Höhlensystem nebst der darin gelegenen Raumstation, die insbesondere aufgrund ihrer Detailverliebtheit zu begeistern weiß. Gedreht wurde der Film in den Chislehurst Caves, einem ehemaligen Kreide- und Feuersteinbergwerk des Londoner Vorort Chislehurst. Das Interieur der Station wurde dabei einfach entlang der felsigen Wände angebracht, wodurch der herrlich rustikale Look des Drehorts bewahrt blieb und ein äußerst stimmungsvolles Gesamtbild mit Schmuddel-Touch entstand.
Da stört es wenig, wenn z. B. der Boden der Anlage mehrfach als simple PVC-Plane auszumachen ist oder der Schauplatz insgesamt doch mehr an eine irdische als an eine extraterrestrische Höhle erinnert. Gleiches gilt für manch fragliche Logik. Etwa dann, wenn eine Person sich lieber in unnötiger Selbstverstümmelung übt als einen kurzen Moment nachzudenken (Slugs lässt grüßen). Auch eine Erklärung für die immense Kraftsteigerung der Wahnsinnigen bleibt der Film uns schuldig. Was noch zu gefallen weiß, ist der durchaus exploitative Charakter von Inseminoid, der uns manches blutige Detail offenbart. Aliens bekommen wir indes leider nur sehr kurz, etwa bei der Vergewaltigung, zu Gesicht. Da die Viecher ziemlich billig und keineswegs organisch anmuten, ist es vielleicht aber auch besser so. Schlussendlich steht noch die Frage im Raum, ob Inseminoid denn nun ein Rip-Off ist oder nicht. Wenn es nach 20th Century Fox (dem Filmstudio hinter Alien) geht, ist dem nicht so*. Viele FilmkritikerInnen sehen es aber anders. Also am besten einfach eine eigene Meinung bilden und für sich selbst entscheiden, ob Inseminoid trotz zahlreicher Parallelen noch genug Originalität besitzt.
*Warren hatte seinen Film zur Sichtung an das Filmstudio übermittelt
Fazit
„Inseminoid“ ist kostengünstig produzierter Science-Fiction-Horror, der mehr als nur ein paar Parallelen zu Ridley Scotts „Alien“ erkennen lässt. Dennoch bewahrt sich Regisseur Norman J. Warren dabei eine gewisse Eigenständigkeit, weswegen „Inseminoid“ im Gegensatz zu manch anderem Werk keinem allzu platten Klon gleichkommt. Wer auch weniger hoch budgetierten Produktionen etwas abgewinnen kann, darf sich über liebevoll arrangierte Kulissen sowie das ein oder andere blutige Detail freuen. Kein großer Wurf, aber ein sympathischer, dem der spezielle Charme eines Exploitationfilms innewohnt.
Autor: Constantin Wieckhorst