Inhalt
Alfred Hitchcocks Thriller aus dem Jahre 1941. Lina (Joan Fontaine), eine Tochter aus gutem Hause, verliebt sich in den Charmeur Johnny (Cary Grant), den sich auch gegen den Willen ihrer Eltern heiratet. Nur langam ahnt sie, dass Johnny gar nicht der liebenswerte Mann ist, in den sie sich verliebt hatte. Will er nur an ihr Geld?
Kritik
Alles beginnt – na so was – in einem Zug. Als der „versehentlich“ die falsche Fahrkarte gelöste Berufssohn und Lebemann Johnny Aysgarth (Cary Grant, Der unsichtbare Dritte) sich das nötige Restkleingeld von seiner Sitznachbarin erbetteln muss. Trotz dieses offensichtlich peinlichen Aktes erliegt das aus gutem Hause stammende Mauerblümchen Lina (dafür Oscar-prämiert: Joan Fontaine, Rebecca) schnell dem Charme des oberflächlich schillernden Märchenprinz, bei dem der Zuschauer aber schon ab dessen ersten Auftritt sofort im Bilde ist: Er ist ein manipulativer Scharlatan. Ein Lügenbaron und Unglücksbringer, der sich parasitär durch sein Umfeld futtert, weil ihm der liebe Gott das Aussehen, die verbrecherische Bauernschläue und dazu noch die Oberschicht-Herkunft zum unverdienten Geschenk gemacht hat. Cary Grant spielt den ultimativen Halunken, was alles sofort erkennen. Nur nicht Lina oder wie wir sie offiziell nennen dürfen: Mutziputzi.
Mutziputzi wird eingelullt von dem umgarnenden Zauber eines smarten Windhundes, der mit der Raffinesse eines Gebrauchtwagenhändlers es versteht, sein auserwähltes Opfer um den kleinen Finger zu wickeln. Der berüchtigte Suspense von Hitchcock (der diesen Film bis auf gewisse technische Details eher weniger schätzte) besteht im Prinzip aus dieser von Anfang an aufgebauten Situation: Wir wissen, der sich anbiedernde Bräutigam ist ein falscher, verlogener Fünfziger. Die Braut in spe viel zu naiv und unerfahren, darüber hinaus auch noch wohlhabend und aufgrund ihres Elternhauses etwas Revolutions-bereit, was sie zum perfekten Opfer macht. Die Frage: Wann wird sie es realisieren und wie krass wird der Aufschlag? Diese „einfache“ Situation wird unter der Ägide des Meisters zu einem Dreiakter. Der sich jedoch – wodurch es richtig interessant wird - nicht nur auf eine klassische, dramaturgische Dreiteilung verlässt. Es geht primär nicht um Einleitung, Hauptteil und Schluss, sondern um ein Genre-Dreigestirn, was nicht wahllos nebeneinander existiert, sondern konsequent aufeinander errichtet wird.
Zu Beginn erlebten wir eine typische Love-Story, die an die Aschenputtel-Referenz aus Rebecca erinnert, nur unter leicht (aber wichtig) geänderten Vorrausetzungen. Der erste Akt ist eine verlogen angehauchte, aber noch hoffnungsvolle Romanze mit Glocken, Geigen und Wiener Walzer, der als hämische Melodie durch den Plot moderieren wird. So weit, so gut, gerade weil der weitere Verlauf offensichtlich ist. Daraus resultiert auch die heimliche Schadenfreude, wenn der zweite Akt zur garstigen Komödie mutiert. Wenn Mutziputzi bemerkt, was für ein Wiesel sie geehelicht hat und wie schlitzohrig-ekelhaft sich dieses immer noch versucht durch zu schummeln. Was einerseits von einer griffigen Situationskomik schön umschrieben, aber besonders wegen der wenig eitlen, spielfreudigen Leistung des üblichen Saubermanns Cary Grant wahnsinnig viel an Effekt und Emotion erarbeitet. Mündend im dritten Akt, dem Thriller, wenn das zurecht aufgebaute Misstrauen schließlich im ultimativen Verdacht mündet: Wäre der notorische Lügner und Betrüger auch bereit einen Mord zu begehen? Und nicht nur „irgendeinen“ Mord…
Das Besondere an Verdacht ist, das seine Dreiteilung auf einem narrativen schlüssigen Konzept fußt und nur so aufgeht. Weil die blinde – aber nachvollziehbare - Romantik existiert, kann erst der harte, bald komische Aufprall in der Realität erfolgen. Die, wenn alle Geigen endgültig verstummt sind (genau an dem Wendepunkt wird Cary Grant erstmals wirklich angsteinflößend und sofort kippt die ganze Stimmung kontrolliert um) und der vorher einläutende Wiener Walzer zur nur noch verzerrten, bedrohlichen Interpretation mutiert. Stellvertretend für das, worauf der Plot von der ersten Szene an hinarbeitet. Die Konstruktion von Verdacht ist, was oft nicht anerkannt wird, einem Hitchcock absolut würdig, kaum schwächer als bei seinen größten Arbeiten. Vielleicht sogar weit unterschätzt, denn er besitzt den Mut sich konsequent zu variieren, aber mit einer linearen Logik. Was zum diskutablen Problem wird, ist sein Finale. Diese entspricht nicht der Romanvorlage und wurde so vom Studio nicht erlaubt, was Hitch zum Improvisieren zwang. Dafür ist es okay, aber man merkt dem Film diesen sehr gezwungenen Kompromiss an, der mehr wie eine Kastration gleich kommt. Wie kurzfristig, dennoch künstlerisch elegant Hitchcock das managet ist gerade deshalb aber fast bewundernswert. Manche scheitern kolossal, er winkt mal kurz durch und am Ende ist man trotzdem glücklich…obwohl das nicht ganz richtig erscheint.
Fazit
Ein ungeliebtes Hitchcock-Stiefkind, das eigentlich viel zu gut dafür ist. „Verdacht“ bietet eine der schönsten, schmierigsten Performances von Hollywood-Babyface Cary Grant und ist narrativ sehr geschickt aufgebaut, schwächelt leider ausgerechnet im Finale. In Anbetracht der Umstände ist das aber kaum selbstverschuldet. Kein grandioser, aber ein sehr unterhaltsamer, sogar hervorragend konstruierter Hitchcock, der vielleicht etwas zu kompromissbereit sein musste.
Autor: Jacko Kunze