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Quelle: themoviedb.org

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Inhalt

Als die in New York aufgewachsene und lebende Billi von ihren Eltern erfährt, dass ihre geliebte Grossmutter in China nur noch kurz zu leben hat, steht ihr Leben Kopf. Die Familie beschliesst, ihre geliebte Mutter und Grossmutter im Ungewissen zu lassen und ihr die tödliche Krankheit zu verschweigen. Um die plötzliche Anwesenheit der ganzen Familie plausibel zu erklären, wird kurzerhand eine Spontan-Hochzeit organisiert. Billi, die sich in ihrem Heimatland gänzlich fehl am Platz fühlt, ringt je länger je mehr mit der Entscheidung ihrer Familie, die Wahrheit zu verschweigen. Wie lange kann sie das Geheimnis für sich behalten?

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Quelle: themoviedb.org

Kritik

Alles beginnt mit einem einem Podcast. Im Jahr 2016 teilt die in Beijing geborene Regisseurin Lulu Wang via This American Life eine ganz besondere Episode ihrer Familiengeschichte, die sich im Jahr 2013 zutrug. Ihrer Großmutter, ihrer Nai Nai, bei der sie in ihrer frühen Kindheit in den 1980ern ein Jahr in Changchun lebte, wird Lungenkrebs im Endstadium diagnostiziert; nicht mehr als drei Monate, so die Ärztïnnen damals, verblieben ihr demnach noch. Was die Geschichte für die westliche Welt so besonders macht, ist eine chinesische Tradition, derzufolge man Patientïnnen nicht mit dem Wissen um eine solche Diagnose belastet, sondern sie stattdessen nur mit den Angehörigen, in diesem Fall Little Nai Nai, der Schwester der Großmutter, teilt. Konfrontiert mit dem scheinbaren Todesurteil möchte nun die ganze Familie, die über zwei Kontinente und drei Länder verteilt lebt, noch einmal Nai Nai sehen, ohne jedoch ihre Beweggründe für ihren Besuch ersichtlich werden zu lassen. Spontan wird eine Hochzeit eines Cousins Wangs initiiert, um all den Verwandten die Möglichkeit zu geben, unauffällig von Nai Nai Abschied zu nehmen. 

Der Podcast-Beitrag soll sich als Initialpunkt für Wang beweisen, die nun endlich bei den Filmstudios ins Gespräch kommt. In der Folge muss sie dann mit chinesischen und amerikanischen Studios ermüdende Diskussionen darüber führen, was der Film sein wolle: amerikanisch oder chinesisch? Für den amerikanischen Markt dürfe nicht allzu viel Mandarin gesprochen werden; ein großes Publikum sei mit Untertiteln schließlich nicht zu gewinnen. Es ist ein Metadiskurs über einen Film, der selbst, zumeist in alltäglichen Momenten, um das Thema Identität kreist, ohne sich in überstrapazierten Tropen zu verlieren. Ein langer Prozess, während dessen alle Vorschläge der Studios, den Film kommerzialisieren, sei es durch eine Dramatisierung des Drehbuchs, Recasting zu englischsprachigen Darstellerïnnen oder die Einbettung stereotyper Figuren, von Wang kategorisch abgelehnt werden, später, feiert The Farewell dann auf dem Sundance 2019 Premiere, wo er rasch zum Liebling bei Kritikerïnnen und Publikum avanciert und einen Distributionsdeal mit A24 einfährt, das sich damit gegen Netflix durchsetzt. 

Eine gute Lüge 

“Based on a true Lie”, heißt es noch vor der ersten Szene des Films, und in ähnlicher Weise beweist sich The Farewell in der Folge immer wieder darin, gängige Erzählmuster schlicht zu ignorieren. Die Geschichte bleibt im Grunde der Podcast-Erzählung treu, die es Wang erst erlaubte, den Film zu realisieren. Für den chinesischen Markt auf einen Titel umgetauft, der sich zu “Sag’s ihr nicht!” übersetzen lässt, ist es in The Farewell die nach Lulu Wang gestaltete Protagonistin Billi (Awkwafina, Crazy Rich Asians), der verboten wird, ihre Nai Nai (Shuzhen Zhao) über ihren Gesundheitszustand in Kenntnis zu setzen. Billi ist eine Mitzwanzigerin, die sich mehr schlecht als recht über Wasser hält; das Guggenheim-Stipendium, für das sie sich Chancen ausrechnete, wurde ihr soeben abgelehnt. Ihre Eltern lassen sie zunächst im Unklaren über die schlechten Nachrichten von Nai Nai aus Changchun, doch als Billi herausfindet, was für die getrübte Stimmung ihres Vaters (Tzi Ma, Arrival) verantwortlich ist, erklärt ihre Mutter (Diana Lin) ihr, dass sie nicht mit nach Changchun kommen könne. 

Die Hochzeit sei ein froher Anlass, Billi allerdings habe sich noch immer von ihren Emotionen leiten lassen und die Aussicht, sie bräche vor ihrer Nai Nai in Tränen aus, sei der Aufrechterhaltung der “guten Lüge” nicht förderlich. Billi lässt sich davon jedoch nicht davon abhalten, zu warm sind die Kindheitserinnerungen, die sie mit Nai Nai verbindet und zu unbehaglich wird ihr, als sich ein Spatz in ihr New Yorker Apartment verirrt - ein kulturgeschichtlich aufgeladenes Bild, das in europäischer Folklore als Todesomen gedeutet wird, während man in Indonesien darin Glück und/oder eine bevorstehende Hochzeit zu erkennen glaubt. Und so steigt Billi in den Flieger nach Changchun, eine frühere Industriestadt nahe der koreanischen Grenze, um entgegen der Bedenken ihrer Verwandten ein vermutlich letztes Mal ihre Nai Nai zu sehen.  The Farewell ist ein bedeutendes Beispiel dafür, wie wichtig Repräsentation im Kino sein kann. Während dieser Tage die Identitätspolitik bisweilen inhaltliche oder ästhetische Fragen an den Rand drängt, merkt man diesem Film in jedem Moment seine Aufrichtigkeit, seine Wahrhaftigkeit an. Mehr noch, ohne die Perspektiven, die nur jemand wie Wang, die Ende der 1980er Jahre mit ihren Eltern nach Miami auswandert, besitzt, wäre ein solcher Film schlicht nicht vorstellbar. Die hervorragende Awkwafina spielt hier eine Figur, die immer irgendwo dazwischen ist. 

Als sie über die Straßen Brooklyns läuft und mit ihrer Nai Nai telefoniert, wird ihr ihre Abwesenheit bewusst von einem wichtigen Teil ihrer Familie und ihrer frühen Kindheit bewusst, während ihre Erscheinung auf der anderen Seite der Welt zu Verwunderung führt: sie sehe ja gar nicht aus wie eine Amerikanerin. Und so spiegeln besonders die alltäglichen Momente am Esstisch, wenn die Familie beim Dinner ihre Lebensentwürfe diskutiert, oder ein gemeinsamer Besuch des verstorbenen Großvaters auf dem Friedhof kluge Beobachtungen der Regisseurin und Drehbuchschreiberin Wang. Der Friedhof, der während eines Trauerfalls zur Wettkampfstätte wird, bei dem die Person mit größte gesellschaftliche Achtung erringt, die am lautesten, am heftigsten, am mitreißendsten weint. Ein Anlass, für den Familien bisweilen professionelle Menschen engagieren, die im richtigen Moment die Tränen fließen lassen. Ob es eine gute Idee sei, das eigene Kind zum Studieren in die USA zu schicken, und ob die eigenen Kinder, in die man so viel investiert hat, schlussendlich in der Lage sind, die Investitionen zu rechtfertigen, ja, gleich einer Aktie, eine Dividende abzuwerfen. Wer am Familientisch ist denn noch ganzheitlich chinesisch? Und dann ist da ja noch die Frage aller Fragen. Was ist denn nun besser: China oder die USA? Es ist eine Frage, auf die Billi immer wieder stößt und auf die sie nichts antworten zu weiß außer: “Es ist anders”. 

Das Private ist politisch 

Natürlich ist es eine Frage, die, obgleich nicht in solcher Profanität, tagtäglich neu austariert wird. Dieser Tage bewegen wir uns in einer Umbruchzeit, wir blicken auf ein modernes China zurück, das binnen weniger Dekaden Millionenmetropolen mit modernster Infrastruktur aus dem Boden gestampft, das zeitgleich allerdings bis heute schwere Menschenrechtsverletzungen begeht. So wichtig es an dieser Stelle ist, nicht großzügig über Menschen- und Völkerrechtsverletzungen der USA hinwegzusehen, so wichtig ist es, an dieser Stelle nicht in einen simplen Kulturrelativismus zu verfallen. Die aus den Entwicklungen der letzten Jahre entstandene, merkwürdige Gemengelage, in der als erstrebenswert erachtete Freiheiten und Werte angesichts eines unverzichtbaren Handelspartners bisweilen zurückgestellt werden, ist eine Entwicklung, mit der sich ein Film wie The Farewell nicht auseinandersetzen kann, will und muss, besonders, weil solch unterkomplexe Fragen wie jene, was denn nun besser sei, die USA oder China, der Essenz eines Bewusstseins weiter Teile der Gesellschaft doch erstaunlich nahe kommen. 

Indes gelingt Wang das, was dieser Tage wenigen gelingt. Sie erzählt ohne klassische Fünf-Akt-Struktur, worauf Alex Westons Score bereits hindeutet in seinem profanen doch keineswegs banalen Score. Der Score ist so unprätentiös wie die Figuren. In ihrer Subtilität und ihrer Schroffheit sind es indes die Beziehungen innerhalb der Familie, die das Herzstück des Films bilden. Vergleicht man Wangs Filmen mit anderen Familiendramen, so müssen die Vorwürfe, die Billi von ihrer Mutter hören muss, so muss Billis Begegnung mit ihrem Vater, der mit ihrem Onkel am Fenster raucht, schroff wirken. Tatsächlich aber erscheint Wangs Film dadurch erfrischend unpoliert, die Figuren wahrhaftiger. Fast so, als hätte jemand jahrelang die eigene Familie beobachtet. Kein brodelnder Konflikt wird gegen Ende innerhalb der Familie gelöst, die Katharsis bleibt aus. The Farewell ist zu geerdet, Wang zu intelligent, um sich in gängigen Mustern zu verlieren. Trotz Awkwafina bleibt zu konstatieren: The Farewell ist nicht Crazy Rich Asians

Fazit

Mit "The Farewell" leistet Lulu Wang etwas unendlich Bewundernswertes. Nicht jeder Pointe hinterherhechelnd, nicht jede Träne auspressend, transzendiert alle Genrezuschreibungen und verwandelt eine Episode ihres Lebens in Poesie.

Kritik: Patrick Fey

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