Irgendwo im Ruhrgebiet, auch als Pott bekannt, gibt es den Westfalenkrug. Eine kleine, urige Kneipe mit kreisrunden Tresen, Letzte-Runde-Glocke und einer leicht überhöhten Fläche auf der Tische und Stühle stehen. Dort kann man sich niederlassen und die Geschehnisse auf der kleinen provisorischen Tanzfläche beobachten, die sich meistens am Wochenende etwas füllt, wenn der Wirt kurz vor Mitternacht die ganz großen Kracher von Wolfgang Petry, Vicki Leandros oder den Bee Gees spielt. Ein toller Ort, um sein Pils mit dem dazugehörigen Kurzen zu trinken und in eine liebenswerte Welt einzutauchen, die man mit viel Boshaftigkeit auf der Zunge proletarisch nennen könnte. Dieser Welt aus dem Pott schenkten viele schon einen Film. Da hätten wir natürlich von Peter Thorwarth die Unna-Trilogie, beginnend mit dem grandiosen Bang Boom Bang - Ein todsicheres Ding. Aber schon Jahre zuvor, wurde dieser Region der Bundesrepublik ein Denkmal gesetzt, auch wenn der Titel darauf schließen lässt, dass etwas ganz anderes zelebriert wird. Das Jahr war 1991 und der Film hieß Manta, Manta.
Noch heute ist Manta, Manta einer der erfolgreichsten und bekanntesten deutschen Filme überhaupt. Er traf damals nicht nur das Spektrum eines bestimmten Zeitgeistes (Friseuse und Fuchsschwanz statt Fast and Furious), sondern katapultierte Til Schweiger zum nationalen Superstar. Klar, aus heutiger Perspektive ist die Komödie gerade noch so als Zeitgeistdokument zu gebrauchen, aber sie hat Charme. Nicht nur, weil Schweigers Bertie im Grunde die klischeebeladene dumme Blondine ist, während seine Freundin, die Uschi, wesentlich smarter ist, als er, sondern auch, weil der Streifen diesen wunderbaren Lokalkolorit hat. Wie wichtig dieser ist, zeigt sich nicht nur etwa durch den Erfolg anderer liebenswerter Provinzpossen wie der langjährigen Eberhofer-Reihe, sondern auch daran, dass es zwar nach 32 Jahren eine Fortsetzung zu Manta, Manta gibt, diese aber keinerlei Provinzialität mehr aufweist. Ob der zwote Teil jetzt in Bochum, Hannover, Braunschweig, Oldenburg, Halle an der Saale oder Saarbrücken spielt ist nicht mehr auszumachen. Damit ist der Nachfolger zum Kultfilm schon mal mit einer Sache gescheitert, die wichtiger nicht hätte sein können. Manta Manta - Zwoter Teil hat keine wirkliche Identität.
Selbstverständlich gibt es im Sequel ein Wiedersehen mit diversen Figuren des Vorgängers, wenn auch nicht in der Hülle und Fülle wie gedacht oder von beinharten Fans des Originals gewünscht. Das ist aber verschmerzbar. Wenn jemand nicht mehr vor die Linse treten will (oder vielleicht kann), muss man das respektieren. Anders sieht es aber bei dem zweiten Superstar des Films neben Schweiger aus. Gemeint ist nicht Tina Ruland (Glück ist was für Weicheier), die im zwoten Teil übrigens das darstellerische wie allgemeine Highlight ist, sondern der Opel Manta B. Der kommt tatsächlich erst im dritten Akt der Fortsetzung vor und wird dann auch recht fix in ein Vehikel umgewandelt, das aussieht, als hätten es sich die Macher vom Set eines der letzten Fast & Furious-Filme geborgt. Auch hier beweist die Produktion, das sie anscheinend keinen Schimmer, davon hat wie man mit der eigenen Identität umgeht.
Aber wirklich verwundern tut das nicht. Laut Vor- und Abspann waren insgesamt neun, wenn nicht sogar zehn Drehbuchautoren an der Produktion beteiligt. Zu viele Rennfahrer kommen halt selten ans Ziel oder so ähnlich heißt es ja und Manta Manta - Zwoter Teil ist dafür ein ganz wunderbarer Beweis. Nicht nur, was die Identität angeht. Auch die Geschichte des Sequels überzeugt nicht. Im Grunde ist es ja simple: Bertie ist pleite, hat dazu familiäre Probleme und versucht an einem Rennen teilzunehmen, um dort Geld zu machen und so die meisten seiner Probleme loszuwerden. Einfaches, erzählerisches Einmaleins. Kann man machen, müsste so auch funktionieren. Blöd nur, wenn der grundsolide, funktionelle Storykern aber dermaßen mit Füllmaterial behängt wird, dass aus einer temporeichen Geschichte eine Schnecke wird. Über zwei Stunden dauert die Komödie, die im Grunde bereits nach kurzweiligen 80 Minuten über die Ziellinie hätte brettern müssen. Stattdessen gibt es ausuferndes, familiäres Gehabe von der Stange sowie Unmengen von wirklich unlustigen Sideplots, die wirken wie liegen gelassene Einspieler aus einer vergessenen Sketchshow von Sat1. Dargereichert in Szenen, bei denen der Schnitt manchmal einfach nur noch wahllos erscheint.
Wirklich richtig furchtbar ist das alles nicht. Aber eben auch nicht mitreißend oder gar kurzweilig. Im Gegensatz zu den letzten Regiearbeiten von Til Schweiger ist Manta Manta - Zwoter Teil nicht empfehlenswert, aber auch keine desaströse Vollkatastrophe. Es gibt sogar Aspekte, die positiv ausgelegt werden können, auch wenn sie nie wirklich konsequent genutzt werden. Einer davon ist die Bereitschaft zur Selbstreflexion. Immer wieder gibt es Momente, da erweckt es den Anschein, dass es nicht etwa um Bertie, sondern um Schweiger selbst geht und sich dieser tatsächlich darum bemüht seine Trademarks sowie seinen Ruf ein wenig durch den Kakao zu ziehen. Das ist nett mitanzusehen, vermisst aber jegliche Form irgendeiner Auswirkung.
Sowieso sind die 126 Minuten prall gefüllt mit Dingen, deren Existenz keinerlei Sinn ergeben. Ein gutes Beispiel neben den diversen unnötigen Gastauftritten wäre die, nennen wir es Eigenart, von Bertie, die ganze Zeit seinen Müll auf den Boden zu werfen. Das würde niemanden auffallen, aber die Kamera zeigt es uns immer wieder. Doch die Erwartung, dass irgendetwas daraus gemacht wird, erfüllt sich nicht. Nichts passiert. Solche vertanen Chancen besitzt Manta Manta - Zwoter Teil unzählige. Sie alle aufzuzählen würde den Rahmen sprengen und das würde nicht zu den Filmen von Schweiger passen, die allesamt der Konformität huldigen. So auch Zwoter Teil, der klar in der gleichen filmischen Welt angesiedelt ist, wie alle seine Regiearbeiten der letzten Jahre. Selbst wenn Bertie ein Kind der Arbeiterklasse ist und in dieser lebt, so wirkt er in der Fortsetzung doch nur noch wie eine Behauptung des eigenen Ursprungs.
Trotz Ruß, Ölflecken und Staub wirkt auch hier wieder alles ein wenig zu geleckt, zu sauber. Damit ist nicht zwangsläufig Berties Werkstatt gemeint, sondern die Figuren und ihre Umwelt. Es ist z. B. fast schon amüsant, wie sich Schweiger und seine unzähligen Drehbuchautoren eine Abendschule vorstellen, oder wie sie aus dem Hut eine Romanze zwischen der jungen Verkäuferin Siri (Nilam Farooq, Eingeschlossene Gesellschaft) und Manta Manta-Maskottchen Klause (Michael Kessler, Binge Reloaded) zaubern und mit dieser immer wieder versuchen klarzumachen, dass Liebe mit innerer Schönheit zusammenhängt. Das kann als verlogen, aber gerne auch als märchenhaft, schwärmerisch oder ganz einfach auch romantisch angesehen werden. Anders gesagt: Das geht so schon klar. Wenn aber aus dieser frischen Liebschaft ein Höhepunkt gebastelt wird, der daraus besteht, dass es Klausi kaum gelingt seine Angebetete zu küssen, weil seine große Nase im Weg ist, dann stellt sich schon die Frage, ob der Respekt und die Hingabe zur Figur auch nur wieder eine Behauptung war. Manta Manta - Zwoter Teil sind zwei prall gefüllte Stunden lieb gemeinte Parolen. Genau das ist die Essenz, warum Til Schweiger mit der Fortsetzung gescheitert ist. Er gibt vor, sein Bier im Westfalenkrug zu trinken, es fühlt sich aber mehr wie eine zynische Trendkneipe in Berlin-Mitte an. Es war abzusehen. Das erste Bild was einem das Sequel zeigt ist ein alter Fuchsschwanz (das damalige Symbol der Manta-Gemeinschaft), der auf dem Asphalt weggeweht wird.