„I told you a long time ago. You are not the only one with gifts.“
Heute (oder gestern) war der letzte Tag der diesjährigen Comic-Con in San Diego, dem Mekka aller Comic-Fans weltweit. Mit „The Avengers“ hat Disney etwas ins Rollen gebracht, das wohl kaum noch aufzuhalten ist und diverse Millarden Dollar in die Kassen des Filmstudios spülen wird. Mit „Thor: The Dark Kingdom“, „Captain America: The Winter Soldier“, „Guardians of the Galaxy“, „Ant-Man“, dem zweiten Zusammentreffen der größten Marvel-Helden in „The Avengers: Age of Ultron“ und wohl einem dutzend weiterer unangekündigter Filme erwartet uns eine regelrechte Flut an Superhelden-Filmen epischen Ausmaßes. Ebenso erwähnt gehört noch Warner Bros. und das DC-Universum, die natürlich nicht anders können und ebenfalls nachziehen müssen und werden. Mit „Man of Steel“ wurde bereits der erste Grundstein für das DC-Multiverse auf der Leinwand gelegt, das nun vorerst mit einem Superman-Batman-Crossover verziert werden soll, wie auf der Comic-Con verkündet wurde.Leider kommt diese „Vereinigung“ der Helden für das Kino allerdings ein wenig zu spät.
Schließlich wurden diverse Rechte extrem beliebter Helden ein gutes Jahrzehnt vor der Idee des Film-Multiversums an mehrere Filmstudios verkauft, die diese Rechte nun bewachen wie eine Löwenmutter. Weder wird Sony Pictures sein Spider-Man aufgeben, noch 20th Century Fox sein "X-Men" und sei dies auch nur aus dem alleinigen Grund, der extrem erfolgreichen Disney-Konkurrenz nicht noch mehr Treibstoff für ihre Gelddruckmaschine zu liefern. Wenn man bedenkt, dass Disney mit einem Marvel-Film die Millarde-Dollar-Marke bricht, werden sich Sony und Fox nicht mit 4 Millarden Dollar zufrieden geben, wie es noch mit George Lucas und Star Wars funktionierte. Sollte Disney nicht extrem tief in die Tasche greifen, haben Mutanten und Spinnen weiterhin Hausverbot im Club „Avengers“. So traurig das auch klingt.Gerade weil sich Comic-Filme so großer Beliebtheit erfreuen (die Inflation dürfte in den kommenden Jahren einsetzen), ist es selbstverständlich, dass Sony mit „The Amazing Spider-Man 2“ und Fox „X-Men: Days of Future Past“ und „Wolverine: Weg des Kriegers“ mehr Zunder ins Feuer schütten. Die Produktion von „Wolverine: Weg des Kriegers“ zog sich lange dahin. Regisseure wie Darren Aronofsky und Guillermo del Toro sprangen in letzter Sekunde vom Projekt ab, nur der Sturheit von Hauptdarsteller und Mit-Produzent Hugh Jackman ist die letztliche Realisierung des Projekts zu verdanken.
Obwohl Jackman schon ein halbes Dutzend Mal in die Kluft des Klauen-schwingenden Mutanten schlüpfte, fehlt bis heute der ultimative Wolverine-Film, der sich vollends dem Charakter verschreibt („X-Men: Origins“ zählt aufgrund unterirdischen Niveaus und Qualität nicht). Und um den dicksten Kritikpunkt schon mal abzuhaken: Auch in „Wolverine: Weg des Kriegers“ lernen wir den Wolverine kaum näher kennen. Während in den Comics der Wolverine eine gequälte Seele, Killer und Teilzeit-Berserker, Anti-Held und Kratos' Seelenverwandter ist, der, einmal wütend, sich nicht um andere Menschen schert, wird er in dieser filmischen Adaption fast über die Hälfte des Films zu einem Bodyguard degradiert, für eine Person, dessen Motive und Persönlichkeit sich dem Zuschauer kaum erschließt. Die Schuld ist aber wahrscheinlich nicht ausschließlich bei den Drehbuchautoren zu suchen, sondern auch beim Filmstudio, für die ein PG-13-Rating Voraussetzung gewesen sein muss, um die meisten relevanten Zielgruppen abzuholen. Alleine schon beim Gedanken, einen „Kratos-ähnlichen Charakter“ in einem Film für Jugendliche zu verwirklichen, sträuben sich einem die Nackenhaare. Leider können auch die restlichen Figuren nicht richtig überzeugen, da über die gesamte Zeit hinweg, Motive, Antriebe und der ein oder andere Sinneswandel kaum nachvollziehbar sind.
Der weibliche Katana-Sidekick Yukio (Rila Fukushima) bleibt zwar cool, aber doch sehr blass. Dass die Enkelin Mariko (Tao Okatomo) zur Love-Interest für Logan wird, ist nicht nur unnötig, sondern aufgrund des Altersunterschieds in der Handlung anfangs sogar „creepy“.Kommen wir nun aber zum Spaßfaktor. Die Action lässt sich kurz beschreiben: Sie ist fantastisch. Was da für Choreographien teilweise aus dem Hut gezaubert werden, ist einfach nur grandios und lässt jeden Fan stumpfer Unterhaltung mit einem äußerst zufriedenen Gefühl zurück. Sei es die Massenschlacht auf der Beerdigung gegen die Yakuzas, der Sturm der Ninjas des Anwesens, der Zweikampf zwischen Logan und Shingen (Hiroyuki Sanada) oder der atemberaubende Überlebenskampf auf dem Dach eines Hochgeschwindigkeitszugs. Regisseur James Mangold kann immer mit neuen Kulissen, Ideen und Choreographien glänzen. Gerade der Zweikampf zwischen dem Wolverine und Yashidas zwielichtigen Sohn Shingen ist visuell eine Wucht.
Zu verdanken ist dies nicht zu kleinem Teil dem Darsteller Hiroyuki Sanada, der in „The Last Samurai“, „Samurai in der Dämmerung“ und im kommenden „47 Ronin“ schon öfters das Katana schwingen durfte und seine Talente vollends zur Geltung kommen. Zwar erreicht Mangold nicht das tiefgründige, bildgewaltige und inhaltvolle Level eines Tarantino-Bühnenbilds ("Kill Bill Vol. 1"), erzeugt er dennoch ein stimmiges Lichtverhältnis im Dojo-ähnlichen Gebäude, dass die Stimmung des Moments gut einfängt. Ebenso bleibt die Action sehr bodenständig, was in Zeiten von „Man of Steel“ und „The Avengers“ eine mehr als willkommene Abwechslung darstellt. Nur im Finale schießt Mangold ein wenig übers Ziel hinaus und wandert etwas zu lange in Comic-Gefilden umher (Stichwort: Robot-Samurai). Enttäuschend ist, dass in den äußerst scharfen Kämpfen (Adamantium-Krallen gegen Katanas) kein einziger Tropfen Blut fließt, was der Szenerie viel Glaubwürdigkeit und Effekt nimmt.