Inhalt
Erzählt wird die unglaubliche Reise einer Gruppe von afrikanischen Sklaven, die das Schiff ihrer Herren in ihre Gewalt bringen und versuchen in die Heimat zurückzukehren. Doch das Schiff, die Amistad, wird abgefangen und man bringt die Sklaven in die Staaten. Des Mordes angeklagt, entbrennt ein fesselnder Kampf, der die Grundpfeiler der amerikanischen Justiz erschüttert. Der Kampf für das Grundrecht aller - Freiheit.
Kritik
Über zwei Jahre, von 1839 bis 1941, erstreckten sich die insgesamt drei Amistad-Prozesse, die heute als wesentlicher Schritt zur Abschaffung der Sklaverei in den Vereinigten Staaten gewertet werden. Steven Spielberg (Indiana Jones und der Tempel des Todes) hat diese geschichtsträchtige Thematik ausgewählt, um damit 1997 die von ihm, David Geffen und Jeffrey Katzenberg gegründete Produktionsfirma DreamWorks Pictures einzuweihen. In Zusammenarbeit mit HBO Pictures ist dabei ein Film herausgekommen, wie ihn in dieser Form nur der Regisseur von Die Farbe Lila oder Schindlers Liste hätte abliefern können: Ein überdimensionaler Akt filmischer Selbstbeweihräucherung, der historische Zuverlässigkeit vorgaukelt, in Wahrheit aber nahezu ausschließlich Interesse daran bekundet, Zugeständnisse an die Massenperspektive abzuliefern. Und dennoch kann man sich der Wirkung von Amistad nicht gänzlich verwehren. Ein typischer Steven Spielberg eben.
Es sind vor allem die Momente, in denen sich Steven Spielberg der reinen visuellen Erzählung bedient, in denen Amistad ein prägnantes Gefühl davon erschaffen kann, wie es gewesen sein muss, sich an Bord der La Amistad befunden zu haben. Die kalte Eröffnung, die den Zuschauer unmittelbar in das Geschehen zieht, zeigt den afrikanischen Sklaven Clinque (Djimon Hounsou, Die vier Federn), der sich durch einen Nagel in einer Holzdiele von seinen Ketten löst und eine Revolte gegen die spanische Mannschaft initiiert. Dieser Prolog ist von einer archaischen Energie getrieben, die sich wahrlich brachial in den formvollendeten Bildern eines Janusz Kaminski entlädt. Schweiß, Blut, brachiales Gelärme. Und dann der muskulöse, ikonographisch gezeichnete Körper der schwarzen Anführers, der mit dem sternenklaren Firmament über ihm verschmilzt, eins wird. Naturgewaltig.
Nur zwei Besatzungsmitglieder überleben, Clinque übernimmt die Kontrolle des Frachtschiffs und verlangt von den Überlebenden, zurück nach Afrika gebracht zu werden. Drei Monate später wird die ramponierte Amistad von der US-Küstenwache aufgebracht und die 44 Westafrikaner inhaftiert. Was folgt, ist ein Rechtsstreit, der darüber entscheiden soll, wessen Eigentum die Sklaven eigentlich sind: Gehören sie der spanischen Krone, der amerikanischen Regierung oder den kubanischen Sklavenhändlern? Steven Spielberg und sein Drehbuchautor David Franzoni (Gladiator) nehmen diese Frage zum Anlass, um den klassischen Gerichtsthriller bis ins Epische zu transzendieren. Matthew McConaughey (Beach Bum) darf als flatteriger Wuschelkopf den Rechtsanwalt geben, Anthony Hopkins (Hannibal) mimt John Quincy Adams und Morgan Freeman (Sieben) wie Stellan Skarsgard (Good Will Hunting) geben astreines Abolitionisten-Zierwerk ab. Prominentes Schaulaufen.
Immer wieder ertränkt Steven Spielberg sein zeitgeschichtliches Szenario im überschäumenden Pathos, um das überzogen-theatralische Großformat, in dem sich Amistad fortwährend in jeglicher Hinsicht aufhält, damit rechtfertigen zu lassen, dass man hier ausschließlich im Dienste der Menschlichkeit arbeitet. Dadurch wirkt Amistad in seinen moralischen Werten jedoch nur selten aufrichtig, sondern scheint dem Hang zu erliegen, sich ständig selbst dafür gratulieren zu wollen, hier für das Richtige einzustehen. Was Spielberg in seinem larmoyanten Wahn rundum Versöhnung und Gerechtigkeit vollkommen verloren geht, ist der ernsthafte, differenzierte Zugang zu seinen Protagonisten. Entweder sind diese Karikaturen oder namhafte Anhängsel, in jedem Fall aber durch die Bank weg klischierte Auswüchse einer eindeutigen Weltanschauung. Spielbergs Kino begreift sich auch in Amistad als eines der Gesten, der Symbole, des Holzhammers. Reflexion unerwünscht.
Fazit
Ein klassischer Steven Spielberg: "Amistad" ist Austellungs- und Ausstattungskino im Großformat. Aufwändig inszeniert, formschön inszeniert, aber eben auch ungemein pathetisch und von überdimensionalen Gesten überladen. Wer einen Faible für diese Art von Kino hat, die den Holzhammer der Reflexion vorzieht, der könnte mit "Amistad" eine packende Geschichtsstunde erleben. Alle andere werden sich schwer tun, mit Spielbergs überschäumender Selbstbeweihräucherung exorbitante Probleme haben.
Autor: Pascal Reis