Inhalt
Wir schreiben das Jahr 1988: Ein bedrohlicher Hurrikan zieht über einem verschlafenen Nest in den Südstaaten auf. Walter und Fancy Franklins gewähren dem Hilfsarbeiter Buddy Unterschlupf, bis sich der Sturm gelegt hat. In ihrem stattlichen viktorianischen Anwesen versucht Fancy, den jungen Army-Veteranen zu verführen, während Walter ihn bittet, für eine beträchtliche Summe seine Frau umzubringen. Buddy wird zum Spielball der bösartigen Franklins: Vertraue niemals einem verschrobenen Ehepaar, dessen Keller du nicht betreten darfst!
Kritik
Es ist schon beachtlich, wenn man sich den (nicht ganz freiwilligen, natürlich) Arbeitseifer des Nicolas Cage (Face/Off – Im Körper des Feindes) zurück ins Bewusstsein ruft. Allein im Jahre 2019 hat er in sechs Produktionen mitgewirkt. Neben der wirklich gelungenen H. P. Lovecraft-Adaption Die Farbe aus dem All und dem immerhin halbwegs unterhaltsamen 90s-Throwback Primal, war mit A Score to Settle, Running with the Devil und Kill Chain jedoch auch wieder die obligatorische Schleuderware dabei. Der letzte Film im Bunde, Grand Isle von Stephen S. Campanelli (Indian Horse), mag zwar auch nicht wirklich geglückt sein, hat aber immerhin etwas zu bieten, was dem Großteil des seit Jahren in den Direct-to-DVD-Sektor gespülten Nicolas Cage-Ramsch weitgehend abhandengekommen ist: Atmosphäre.
Nein, Grand Isle kann natürlich nicht mit der wirkungsmächtigen Gepräge eines Mandy oder Die Farbe aus dem All Schritt halten. Man merkt aber, dass Regisseur Stephen S. Campanelli nicht gänzlich unbegabt darin ist, Stimmungen einzufangen. Dieser Umstand könnte damit zusammenhängen, dass Campanelli zuvor in erster Linie in der Kameracrew von Clint Eastwood beschäftigt gewesen ist – und das bereits seit dem 1995 entstandenen Liebesdrama Die Brücken am Fluss. Der Film versteht sich sozusagen als Eintrag in das Subgenre des Southern Gothic. Angesiedelt im provinziellen Grand Isle, Louisiana, am westlichen Ende der Barataria Bay gelegen und nur über einen Damm und eine Brücke mit dem Festland verbunden, kündigt der aufwallende Zorn eines Hurrikans eine gar unvergessliche Nacht für unseren Protagonisten Buddy (Luke Benward, Wir waren Helden) an.
Was Stephen S. Campanelli über die Hälfte der Laufzeit von Grand Isle solide hinbekommt, ist der sehr klassische Spannungsaufbau, der die immerzu im Raum stehende Bedrohung von Walter (Nicolas Cage) und Fancy (KaDee Strickland, American Gangster) von der Andeutung zur Gewissheit gerinnen lässt. Das Problem ist nur, dass ein Luke Benward furchtbar uncharismatischer Hauptdarsteller ist. Um all die unmoralischen Verlockungen und gefährlichen Unwägbarkeiten schauspielerisch stemmen zu können, fehlt es ihm schlichtweg an Präsenz. Dazu kommt, dass Grand Isle sich gegen Ende in seiner erzählerischen Unbeholfenheit regelrecht überschlägt und dazu hinreißen lässt, den ein oder anderen Twist in das Geschehen zu bauen. Dadurch verliert der siedende Thrill durch grobschlächtige Effekthascherei seine Kraft. Schade, denn eigentlich hätte hier eine kleine, böse Entdeckung über den privaten Wahnsinn der Systemverlierer der Vietnam-Ära entstehen können.
Fazit
In der ersten Hälfte ist "Grand Isle" durchaus in der Lage, Akzente zu setzen, wenn Regisseur Stephen S. Campanelli unter Beweis stellt, dass er durchaus Gespür für atmosphärische Anwandlungen besitzt. Luke Benward allerdings ist eine grobe Fehlbesetzung in der Hauptrolle und gibt sich so spielfreudig wie eine Mumie. Dazu überschlägt sich "Grand Isle" im letzten Akt immer mehr und distanziert sich auf unangenehm unbeholfene Art und Weise leider sehr deutlich von seinem zuvor leise anschwellenden Southern Gothic-Thrill.
Autor: Pascal Reis