“…that this nation, under God, shall have a new birth of freedom – and that government of the people, by the people, for the people, shall not perish from the earth.“
Kaum ein anderer Präsident der vereinigten Staaten fasziniert so, wie der 16. Präsident der USA Abraham Lincoln. Immerhin ranken sich um den hageren, bescheidenen wie aufrechten Politiker viele Mythen, Legenden sowie Vorstellungen, die sich zumeist in machtvolle Bilder manifestieren. Der Mann der die USA einte, die Sklaverei per Gesetz beendete sowie den Weg für einen modernen Staat ebnete, ist ein Vorbild, welches für Macht, Eifer, Ehre sowie Gerechtigkeit steht, dass bis heute nichts von seiner Bezauberung verloren hat. Im Gegenteil, denn gerade Hollywood widmet sich wieder verstärkt dem politischen Helden und erzählt hierbei gerne die unterschiedlichsten Geschichten (Die Lincoln Verschwörung, Abraham Lincoln: Vampire Hunter, Abraham Lincoln vs. Zombies sowie Saving Lincoln). Nun folgt mit Lincoln dabei das wohl ambitionierteste Projekt. Denn unter der Regie von Steven Spielberg, der sich zwölf Jahre lang mit Recherchearbeiten auf das Werk vorbereitete, sowie mit der Hilfe von Drehbuchautor und Pulitzer-Gewinner Tony Kushner (beide arbeiteten bereits für München zusammen), sollte ein Film entstehen, der sich gewissenhaft sowie intensiv mit Lincoln beschäftigen sollte. Und das Ergebnis ist beispiellos: Basierend auf dem Buch “Team of Rivals: The Political Genius of Lincoln” von Doris Kearns Goodwin, zeigt Lincoln einen Mann, der bedeutender kaum sein könnte. Was folgt ist so eine grandiose Biografie mit einem unglaublichen Daniel Day-Lewis in der Hauptrolle, welches fesselt, bewegt, aufklärt und zudem einen bedeutsamen Einblick in die letzten Monate von Abraham Lincoln gewährt. Kurzum ein kleines historisches Meisterwerk, welches gerade von seiner Detailverliebtheit sowie seinen exzellenten Darstellern lebt.
Die Geschichte selbst, anders als die 800 Seiten Buchvorlage von Doris Kearns Goodwin, dreht sich indes nur um die letzten Monate des 16. Präsident der USA, was angesichts einer Laufzeit von 150 Minuten auch die beste Wahl darstellt. Immerhin sind es auch gerade die letzten Monate Lincolns, die am bewegendsten wie beeindrucktesten sind. Und so passiert es gar, dass selbst die vier letzten Monate für Spielberg eine immense Herausforderung darstellten. Immerhin musste der visuelle Geschichtenerzähler hierbei nicht nur die Person Lincoln dem Zuschauer näher bringen, sondern sich auch den politischen Wirren der Kriegszeit widmen sowie dem schwierigen Thema der Sklaverei, welches in Lincoln besonders geschickt sowie feinfühlig dargestellt wird. So gibt es zwar auch nur einen historisch teils nüchternen Blick auf die damaligen Geschehnisse, doch durch viele hitzige Parlamentsdebatten, unzählige tiefgreifende Dialoge sowie den verschiedensten Machtspielen (die Spielberg gerne auch Mal mit etwas Humor darstellt), wird hervorragende Unterhaltung geboten, die die politische Welt der Bürgerkriegszeit förmlich lebendig macht. Einzigartig ist indes auch die Inszenierung von Spielberg, die sich angenehm von seinen bisherigen Werken distanziert. So tritt Spielberg einen Schritt zurück und überlässt die Bühne (was wörtlich gilt) seinen Darstellern. Statt Blockbuster-Mentalität (wie noch in Gefährten), zählt nun der ruhige Ton sowie die gemächliche wie intensive Erzählung. Lincoln ist somit kein optisches Prachtwerk (trotz einer mehr als detailgetreuen Darstellung sowie einer lebendigen Welt), sondern konzentriert sich eher auf seine Figuren. Eine Weise Wahl, die gerade dem Charakter Abraham Lincoln zu Gute kommt. Als Ikone, Held und Führer der Nation eingeführt, gibt es so schnell einen differenzierten Blick auf den Präsidenten, der fasziniert. Seine Ängste, Wünsche, Träume, familiären Probleme sowie politischen Befürchtungen werden ebenso thematisiert, wie seine Taten. Spannend bleibt dies unterdessen zu jeder Zeit, wodurch gerade die vielen grandiosen Anekdoten und Geschichten sorgen, die Lincoln immer wieder einstreut. Somit offenbart sich Abraham Lincoln als ein Mann der Worte, der Ehre und der Taten sowie als ein Politiker, der für einen unbeschreiblichen Willen steht.
Doch damit noch nicht genug, denn Regisseur Steven Spielberg versteht es mit seinem Werk nicht nur einen kleinen geschichtlichen Abriss zu liefern, sondern auch gerne leise Kritik zu streuen. Sei dies erkennbar am Machtwillen mancher Politiker, die sich nicht als Volksvertreter verstehen, sondern als Vertreter ihrer eigenen Meinung, an den Instrumenten der politischen Willensbildung, die durchaus fragwürdiger Natur sind, sowie dem Thema der Sklaverei (und somit der Ausgrenzung), welches gekonnt Übertragbar auf unsere heutige Gesellschaft ist. Gerade wenn sich im Parlament die Männer brüskieren, als das Wahlrecht der Schwarzen mit einem vermeintlichen Frauenwahlrecht gleichgestellt wird (was erst 1920 durch Alice Paul durchgesetzt wurde), ist dies ein Bild, welches heute teils immer noch gilt. Somit gibt es nicht nur einen gekonnt gezeichneten historischen Abriss der Geschichte, sondern immer wieder wohltuende Klänge, die auch Lincoln selbst, durchaus in einem anderen Licht präsentieren als bisher bekannt. Einzig vorzuwerfen ist Lincoln indes, dass es Regisseur Steven Spielberg es nicht gänzlich versteht, atemberaubende Szenen zu offenbaren, die Gänsehaut verursachen. Zwar gibt es prachtvolle Reden sowie, gerade durch die exzellente Kameraarbeit von Oscarpreistträger Janusz Kaminski (Der Soldat James Ryan, Schindlers Liste) bewegende Bilder zu sehen, doch große Emotionen bleiben dennoch aus.
Das Highlight von Lincoln sind unterdessen aber ganz klar seine Darsteller. Allen voran Daniel Day-Lewis (There Will Be Blood) zeigt eine Performance, die schier schlichtweg beeindruckend ist. Stets mit einer krummen Haltung (angepasst an das Alter von Lincoln), mit ruhigen langsamen Schritten sowie einer Präsenz, die förmlich spürbar macht, welche eine große Last auf den Schultern des Präsidenten ruht. Day-Lewis liefert so wohl die beste Leistung seiner Karriere ab und dürfte den Oscar sehr bald dafür in den Händen halten. Denn Day-Lewis spielt nicht Abraham Lincoln, er ist der 16. Präsident der USA und somit ein fantastisches Talent, das man gar nicht genug würdigen kann. Doch auch abseits davon, bietet Lincoln viele hervorragende Leistungen, die sich bis in die letzten Nebenrollen fortführen. Joseph Gordon-Levitt (The Dark Knight Rises) zeigt sich von seiner besten Seite als Sohn Robert, der sich dem Willen seines Vaters widersetzen will, Sally Field spielt gekonnt die sorgende Mutter und Ehefrau Lincolns und Hal Holbrook zeichnet einen sehr sehenswerten Preston Blair, die vielen oftmals die Show stiehlt. Die wohl beste Leistung hierbei geht aber an Oscar-Preisträger Tommy Lee Jones (No Country for Old Men), der wohl ebenfalls die beste Leistung seiner Karriere zeigt. In der Rolle des Thaddeus Stevens, offenbart er einen Mann, der trotz seiner radikalen Ansichten sich dem Gemeinwohl unterordnet und so auch eine gekonnte Wandlung durchlebt. Und Tommy Lee Jones gelingt dies in wahrhafter Perfektion, wodurch ihm hierbei ebenfalls ein weiterer Oscar durchaus sicher sein könnte.