„We are consumers. We’re by-products of a lifestyle obsession.“
Ein wahrer Faustschlag mitten ins Gesicht war David Fincher’s Fight Club anno 1999, eine relativ werkgetreu Adaption des drei Jahre zuvor veröffentlichten Romans von Chuck Palahniuk, der allerdings erst durch die Verfilmung flächendeckende Aufmerksamkeit zuteilwurde. Erzeugte gar echte Kontroversen, wurden seinerzeit sympathisierende, faschistoide Vergleich gezogen, was letztendlich jedoch das Werk in seiner ambivalenten, sarkastischen Ambition nur doppelt und dreifach verstärkt. In dem Punkt ähnlich wie Paul Verhoeven’s Meisterwerk Starship Troopers wird jedwede Form von Unterordnung in ein für den Moment nicht nur als perfekt, sondern als alternativlos manipuliertes System durch einer Karikatur gleichkommende, Gift und Galle kotzenden Satire bloßgestellt – ohne dabei die Absurdität des Ganzen nicht mit dem gebührenden Hohn unterhaltsam-ironisch aufzuplustern. Gerade das macht eine ultra-offensive, stylische Groteske wie Fight Club erst so außergewöhnlich, da sich hier praktisch alles mit voller Wucht selbst in die Fresse schlägt. Um aus der für den Moment feist anmutenden Doppelmoral nur einen einzigen Trümmerhaufen übrig zu lassen, mit der Erkenntnis, dass es am Ende scheißegal ist, womit wir uns konkret selbst zu Grunde richten…da kompromisslose Extreme nicht anderes bereithält.
-„I was close to be complete.“
-„I say: Never be complete. I say: Stop beeing perfect. I say: Let’s involve!“
Sorglos und trotzdem rastlos. Gutsituiert und trotzdem totunglücklich. Die Geisel eines durch gesellschaftliche Normen auferlegten Strebens nach einem plastischen, perfektionierten Besitzstandes und Habitus: Das ist unser Protagonist…nennen wir ihn der Einfachheit halber Jack (Edward Norton, American History X). Jack ist ein höher angesiedeltes, aber nicht richtungsweisendes Zahnrad der Konsumgesellschaft. Bemüht, immer dem Status quo mehr als nur gerecht zu werden. Getrieben und verloren darin, sein eigentlich monotones und desorientiertes Dasein durch schmückendes Beiwerk aufzuwerten. Gelangweilt, frustriert, ferngesteuert da planlos. Irgendwann paddelnd in einem Strudel, der gesellschaftlich nicht nur akzeptiert, sondern sogar von vielen angestrebt wird. Er selbst könnte unglücklicher kaum sein. Bis Tyler Durden (Brad Pitt, The Big Short) in sein Leben tritt. Beiläufig, mit der Anstandsfrage endend, ob man beim Vorbeigehen lieber Arsch oder Schritt seinem Gegenüber zuwendet. Weder Fisch noch Fleisch. Nichts erscheint in dem Fall ultimativ richtig und es ist ein kleiner Teaser für den großen, bei nur zwei zu Verfügung stehenden, polarisierden Varianten nicht zu lösenden Diskurs, mit dem sich Fight Club auf höchst demaskierender Ebene beschäftigt.
„I want you to hit me as hard, as you can!“
Wer komplett unvorbereitet an Fight Club herangeht (beneidenswert!) dürfte sehr lange ähnlich haltlos durch die Gegend taumeln wie Jack, aber auch vergleichbar euphorisiert von einer überraschenden Idee. Einem Gedankengang, der sich trotz seiner von Anfang an deutlichen Sprache erst langsam in seinem vollständigen Ausmaß erschließt. Wer würde nicht gerne dem gewissen, sicheren Standard generierenden Hamsterrad entfliehen wollen? Besonders, wenn dieser erbaut ist auf Selbstaufgabe. Dich wie ein Parasit, wie ein Tumor, langsam zerstört, dass der einzige Hilfeschrei der noch bleibt ebenso verlogen Heuchelei ist wie das System, gegen das man eigentlich ankämpfen möchte? Bis der personifizierte Gegenpol zu dir selbst nicht nur dein bester Freund, sondern der Messias aller aufgestauten Probleme wird. Mit einer einfachen Methode: Lass dich gehen. Burn it down. Scheiß drauf. Fühle. Blute. Lebe.
„I’am Jack’s wasted life!“
Im Gewand eines schleichenden Psychothrillers, mit dem pechschwarz-zynischen Humors eines hemmungslosen Kabaretts seziert Fight Club genüsslich das verzweifelte Streben nach Ankerpunkten in einer unlängst unter ihrem eigenen Entwicklungstempo ächzenden Gesellschaft. Wo stehe ich, was bin ich, worüber definiere ich mich? Sehr schwierig in einer Welt, die scheinbar nur noch in materiellen Werten und Positionen zu beurteilen ist, wobei eine Gesellschaft doch erst durch sein Fundament steht. Was passiert also, wenn das gefrustete Proletariat seine wutendbrannte, eigene Selbsthilfegruppe gründet und den Versprechungen eines Führers vertraut, der nur auf der Vernichtung des Systems eine Chance für einen Neuanfang projiziert? Was wiederum genauso destruktiv ist wie das Vorherige, diesmal nur aus dem Stand, ohne Scheuklappen und unmittelbar konsequent in seiner Intention. Wenn wir schon draufgehen, dann bitte selbstbestimmt und mit einem Knalleffekt.
Fight Club ist kein Film der unmittelbar Position für ein radikales Lager bezieht, im Gegenteil. Er ätzt süffisant gegen jede Form von Entmenschlichung; fordert bewusst eine eigene, eindeutige Stellungnahme ein und schildert unmissverständlich was geschieht, wenn man sich wie ein Lemming einfach nur treiben lässt. Zombie im Konsum-Gefängnis oder apokalyptischer Reiter mit terroristischer Abrissbirne, beides ist Bullshit. In der Allgemeinheit still und leise verrotten oder als namenloser Partisane in einem Krieg sterben, dessen rebellischer, erlösender Anfang längst einem para-militärischen, Sekten-ähnlichen Personenkult gewichen ist? Fight Club ist deshalb so wuchtig, provokant, angreifbar und dennoch am Ende absoluter Sieger jeder Grundsatzdiskussion, weil er das Individuum feiert und über jede fremdgesteuerte Bewegung erhebt…auch wenn dieses spezielle Exemplar dafür einiges zu leisten hat. Es ist nicht einfach in einem Zustand zu bestehen, der sich längst an Schubladendenken gewöhnt hat. Das dann die höchste Form der selbstzerstörerischen Wahrnehmung als einziges Mittel übrigbleibt, ist leider gar nicht mal so abwegig.
„You met me in a really strange time of my life.“